Es ist nicht sinnvoll, auf Marketing Automation zu verzichten

Klingt paradox, ist aber wahr: die Automatisierung des E-Mail-Marketings verbessert die persönliche Kundenansprache. Warum und was Sie beim Start in die Marketing Automation beachten sollten, erklärt Digital Marketing Strategist Christian H. Bossert im Interview.

Autor/in Sheila Karvounaki
Datum 23.08.2022
Lesezeit 7 Minuten

Der Self-Checkout im Supermarket, das automatische Lichteinschalten beim Betreten der Wohnung oder Chatbots auf Twitter: Viele Business- und  Alltagsprozesse laufen längst automatisiert ab. Auch auf automatisiertes E-Mail-Marketing möchten immer weniger Unternehmen verzichten.  Zu recht, wie Digicomp-Trainer Christian H. Bossert und Digital Marketing Strategist erklärt. Denn die Vorteile der Automatisierung reichen weit über das E-mail-Marketing hinaus.


Christian, du verwendest schon lange Automation-Tools im E-Mail-Marketing. Wie kam es dazu?

Begonnen hat es mit einem Hobby-Projekt vor rund 14 Jahren, als ich das Bedürfnis hatte, Newsletter verschicken zu können, ohne dass ich mich um Ein- und Austragungen in die Liste kümmern muss. Das wollte ich automatisch gelöst haben. Später kam dann der Wunsch von automatisierten E-Mail-Serien dazu. Das heisst, eine Serie von einmal geschriebenen E-Mails soll in einem vordefinierten Zeitabstand versendet werden können, sobald sich jemand in die Liste einträgt. Und schliesslich folgte das Bedürfnis, visuelle Workflows einzusetzen, damit wir den gesamten Ablauf des E-Mail-Marketings bildlich darstellen, aber auch komplexere Abläufe koordinieren können.

Wie sieht so ein Automatisierungsprozess aus?

Obwohl E-Mail-Marketing auch heute noch ein zentrales Element ist, geht es weit darüber hinaus. Wir sprechen hier von einem ganzen Marketing-Funnel. Ein vereinfachter Ablauf als Beispiel: 

  1. Interessent/in sieht Werbung auf Facebook. 
  2. Interessent/in trägt sich auf Landing Page via Formular in E-Mail-Liste ein
  3. Automatisierte E-Mail-Serie wird ausgespielt, um Vertrauen aufzubauen und Expertise zu zeigen.
  4. Interessent/in kauft Dienstleistung/Produkt.

Was sind die grössten Vorteile von automatisierten E-Mail-Prozessen?

Durch E-Mail-Automatisierung können wie Kundinnen und Kunden entlang ihrer individuellen Customer Journey begleiten. Die einen wissen schon genau, was sie wollen und sind kurz vor dem Kaufabschluss, die anderen sind skeptischer und brauchen mehr Inhalte und Vertrauen, bis sie «ja» zu einem Angebot sagen. Ausserdem können wir persönlicher und zeitnah kommunizieren. Ersteres scheint ein Widerspruch zu sein, ist es jedoch nicht. Anstatt dass wir eine E-Mail an eine Masse von Leuten senden, erhalten die Empfänger*innen genau die E-Mail, die im Moment Sinn macht (in Bezug auf Interesse oder Verhalten). Ist doch toll, wenn man nicht alles immer wieder von vorne erzählen muss, sondern allgemeingültige Informationen in E-Mails verpacken kann. So bleibt mehr Zeit für individuelle Fragestellungen.

Was sollte man bei der Erstellung von automatisierten E-mail beachten?

Es ist erforderlich, dass man seine Wunschkunden sehr genau kennt. Was sind ihre Probleme, die sie gelöst haben wollen? Was hält sie nachts wach? Kunden suchen Lösungen zu ihren Problemstellungen. Das heisst: Wir verkaufen nicht Produkte oder Dienstleistungen, sondern Resultate. Je besser wir das Zielpublikum kennen und deren Probleme verstehen, desto relevantere Inhalte können wir produzieren und vermitteln, was wiederum zu mehr Kundinnen und Kunden führt.

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Gibt es auch ein Risiko der «Über-Automatisierung»?

Ja klar, diese Erfahrung mussten wir auch machen. Vor allem wenn die Abläufe komplexer werden, verliert man schnell die Übersicht. Beispiel: Es kann passieren, dass Leute plötzlich mehrere E-Mails am Tag erhalten, weil man irgendwo im Prozess vergessen hat, sie wieder aus einer Serie herauszunehmen. Was also ursprünglich gut gemeint war, kann plötzlich zu einem Ärgernis werden. Hat man allerdings bereits Vertrauen aufgebaut, nimmt einem das niemand übel und durch die entsprechenden Kundenreaktionen kann man das sehr schnell beheben.

Geht es im Marketing heute überhaupt noch ohne Automatisierung?

Die korrekte Antwort dazu wäre wahrscheinlich: natürlich geht das. Die Frage müsste darum eher lauten, ob es heute noch sinnvoll ist, auf Marketing Automation zu verzichten. Dann wäre die Antwort ganz klar nein. Ausser du willst den Stress, wiederkehrende Arbeiten immer und immer wieder machen zu müssen und dadurch keine Zeit fürs Wesentliche zu haben.

Welche Automatisierungstools kannst du empfehlen?

Es spielt nicht so sehr ein Rolle, welches Tool man verwendet. Ein Tool ist ein günstiger Mitarbeiter im Business, der bestimmte Arbeiten übernimmt. Es muss viel mehr klar sein, was man mit dem Tool genau erreichen möchte. Ein modernes E-Mail-Marketing-Tool sollte folgende Kriterien erfüllen: 

  • Tagbasiert statt listenbasiert: Empfänger/innen werden mittels Tags kategorisiert und nicht in Listen organisiert.
  • Unterstützung von Automationen mit visuellen Workflows und Regeln. Dadurch können weitere Steuerungen wie Bedingungen, zeitliche Verzögerungen, Ziele etc. festgelegt werden.
  • Möglichkeit zum automatischen Verschicken von vordefinierten E-Mail-Serien (man nennt sie auch Sequenzen, Kampagnen oder Autoresponder).
  • Erstellen von beliebig vielen Eintrageformularen

Als Bonus empfehle ich die Unterstützung von Lead Scoring (jede Kontaktadresse erhält eine Punktzahl anhand ihrer Aktivität oder Inaktivität) sowie Website-Tracking, um auch Conversions direkt messen zu können.

Was sind deine drei wichtigsten Tipps für Personen, die ihr E-Mail-Marketing aufmotzen möchten?

  1. Auch wenn du bisher kein E-Mail-Marketing betreibst, starte noch heute mit dem Aufbau einer E-Mail-Liste.
  2. Verwende Lead Magnets (Whitepaper, Webinare, etc.), um deine E-Mail-Liste aufzubauen.
  3. Achte darauf, dass deine E-Mails aus 80% hilfreichen Inhalten und nur 20% Promotion bestehen.

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Autor/in

Sheila Karvounaki

Sheila Karvounaki Marti hat Journalismus und Organisationskommunikation studiert und hat sich über die Jahre auf Online-Kommunikation spezialisiert. Sie ist Community Managerin bei Digicomp und berät als Freelancerin verschiedene KMU bei ihren Online-Aktivitäten. Sie war Leiterin Kommunikation & Community Management an der SOMEXCLOUD GmbH und 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, im Bereich der Projektleitung und -organisation sowie in der Forschung tätig.