Lange Zeit war Microsoft vor allem für seine Office-Software und Betriebssysteme bekannt. Heute positioniert sich das Unternehmen als umfassender Full-Stack-KI-Anbieter und baut seine Kompetenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für künstliche Intelligenz konsequent aus.
Microsoft hat sich Software-Konzern zum globalen KI-Ökosystem entwickelt. Die Strategie ist breit angelegt: Sie reicht von spezialisierter Infrastruktur wie KI-optimierten Chips über cloudbasierte Plattformdienste bis hin zu Anwendungen wie Microsoft 365, in die KI-Funktionen direkt integriert sind. Gleichzeitig investiert Microsoft in ein wachsendes Ökosystem aus Partnern, Entwickler/innen und Unternehmen, um die Verbreitung und Nutzbarkeit von KI weiter voranzutreiben. Doch wie sieht diese Transformation konkret aus? Wo steht Microsoft heute – technologisch, strategisch und im internationalen Wettbewerb? Und welche Rolle spielt der Schweizer Markt dabei? Darüber sprechen wir mit AI & Cloud-Architect Loris Scandurra
Wie unterscheidet sich der Full-Stack-KI- Anbieter-Ansatz von Microsoft zu den anderen Tech-Giganten wie Google, AWS oder IBM?
Loris Scandurra: Microsoft ist sehr gut positioniert, um bestehenden Kunden KI-Services anzubieten. Dies hat vor allem mit der dominierenden Marktposition von Microsoft Office und dem damit einhergehenden Ökosystem zu tun. Somit kann Microsoft ihren Kunden direkt in der ihnen vertrauten Umgebung KI-Dienste anbieten und diese sehr tief mit bestehenden Tools verbinden. Zudem kann Microsoft mit der Azure-Plattform die dafür benötigte Infrastruktur selbst zur Verfügung stellen, und ungenutzte Ressourcen können von den Kunden gemietet werden.
Andere Tech-Giganten wie AWS und IBM verfügen zwar über die benötigte Infrastruktur, haben jedoch keine marktdurchdringende Business-Software, die täglich von Endanwendern genutzt wird. Wer in diesem Bereich konkurrenzieren könnte, ist Google mit der G-Suite-Businesssoftware.
Welche Rolle spielen Partnerschaften, etwa mit OpenAI oder Anthropic, für Microsofts Innovationskraft in der KI?
Microsoft hat immer schon grossen Wert auf Partnerschaften gelegt. Das sieht man an der Art, wie sie Geschäfte machen und wie sie ihre Kunden betreuen.
Mit den Partnerschaften zu OpenAI und Anthropic verschaffen sie sich Zugang zu den innovativsten Technologien und können sich somit als One-stop-Shop für alle KI-Bedürfnisse positionieren.
📌«Mit den Partnerschaften zu OpenAI und Anthropic verschafft sich Microsoft Zugang zu den innovativsten Technologien und kann sich somit als One-stop-Shop für alle KI-Bedürfnisse positionieren.»
Welche Rolle spielt Copilot in Microsofts Full-Stack-KI-Strategie?
Copilot ist die integrierte KI-Lösung, die Microsoft in verschiedenen Produkten anbietet, wie Office, GitHub, Security, Dynamics und vielem mehr. Damit kann sich Microsoft von vielen Tech-Giganten abheben, die lediglich KI-PaaS-Services anbieten. Während diese die Integration von KI-Services ermöglichen, geht Microsoft einen Schritt weiter und bietet seinen Kunden eine schlüsselfertige Lösung an, die in den meisten bestehenden Microsoft-Produkten integriert ist. Viele Unternehmen schätzen die nahtlose Integration und den minimalen Betriebsaufwand, der damit einhergeht. Daher denke ich, dass Copilot eine zentrale Rolle spielt – für Microsoft heute und auch in Zukunft – und weiterhin grosse Investitionen in die Weiterentwicklung getätigt werden.
Wie unterscheiden sich Microsoft 365, Dynamics 365 und die verschiedenen Copilot-Lösungen?
Die Copiloten in den unterschiedlichen Applikationen haben Zugriff auf unterschiedliche Daten und erfüllen oft unterschiedliche Zwecke. Zum Beispiel hilft GitHub Copilot Softwareentwicklerinnen und -entwicklern, effizienter Code zu schreiben, während Microsoft 365 Copilot dabei unterstützt, Dateien zusammenzufassen und Präsentationen zu erstellen.
Die Idee von Copilot ist, die Benutzer/innen in den verschiedenen Applikationen als Assistent zu unterstützen und verschiedene Aufgaben zu erleichtern. Dabei werden Prozesse nicht verändert, sondern beschleunigt. Ich denke, dies ist ein guter Ansatz. Jedoch sehe ich mehr Potenzial bei der End-to-End-Automatisierung von Prozessen. Hier unterstützt Microsoft mit der Copilot-Studio-Plattform, welche es ermöglicht, eigene Agenten zu erstellen.
📌 «Die Idee von Copilot ist, die Benutzer/innen in den verschiedenen Applikationen als Assistent zu unterstützten und verschiedene Aufgaben zu erleichtern.»
Wie finde ich das für mich passende Angebot und behalte den Überblick im Microsoft-Angebotsdschungel?
Hierbei kann es helfen, den richtigen Personen auf LinkedIn oder X zu folgen, welche regelmässig über die neuesten Entwicklungen in der KI berichten. Wer mehr Lust auf Hands-on hat, kann auch einen Microsoft-KI-Einsteigerkurs bei Digicomp besuchen, um eine Übersicht über die verschiedenen Technologien zu erhalten, die Microsoft anbietet.
Welche Risiken bestehen für Unternehmen?
Ich denke, das grösste Risiko ist die Abhängigkeit von Microsoft-Diensten. Dies wird oft auch als Vendor-Lock-in bezeichnet. Dieser besteht zwar bereits heute, aber mit der Erweiterung um KI-Dienste wird dieser nur noch weiter verstärkt.
📌 «Das grösste Risiko für die Unternehmungen ist die Abhängigkeit von den Microsoft-Diensten.»
Wie wird Microsoft seiner Verantwortung im Hinblick auf ethische KI, Fairness und Transparenz gerecht?
Microsoft hat viel investiert, um ein Framework zu erstellen, welches sicherstellen soll, dass Microsoft sowie Unternehmen, welche KI-Dienste von Microsoft in ihren eigenen Anwendungen nutzen, diese nicht missbrauchen oder unethisch einsetzen. Dies liegt auch im Interesse von Microsoft, um sich vor möglichen Reputationsschäden zu schützen.
Dieses Framework ist öffentlich einsehbar und kann von allen genutzt werden, um verantwortungsvolle KI-Systeme zu entwickeln.
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