Smarter, schneller, besser: AI im Requirements Engineering

AI-Tools wie ChatGPT, Claude, Gemini und Llama bieten auch im Requirements Engineering grosses Potenzial zur Steigerung der Effizienz und Qualität. Doch wie genau kann AI im Requirements Engineering eingesetzt werden? In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von AI anhand der Entwicklung einer klaren Product Vision sowie in einem Impact Mapping.

Autor/in Michael Mey
Datum 15.10.2024
Lesezeit 10 Minuten

In der heutigen schnelllebigen IT-Welt wird die Rolle von AI immer wichtiger. Insbesondere im Bereich des Requirements Engineering kann mit AI-Tools die Effizienz erheblich gesteigert werden, indem sie repetitive Aufgaben automatisieren, komplexe Daten helfen zu analysieren und wertvolle Einblicke bieten, die für die erfolgreiche Durchführung von Projekten entscheidend sind.

AI als Sparringpartner nutzen

AI sollte stets als Assistent betrachtet werden – als ein Werkzeug, das den Menschen unterstützt. Die Ergebnisse, die AI liefert, müssen kritisch hinterfragt und durch menschliche Expertise validiert werden. Besonders wertvoll ist AI beispielsweise bei der Erstellung von User Stories, Prozessdiagrammen und Personas. Durch interaktive Dialoge kann AI als Sparringspartner fungieren und dabei helfen, die Anforderungen eines Projekts zu strukturieren und präziser zu formulieren.

Product Vision als Essenz eines Projekts

Ein zentrales Element jedes erfolgreichen Projekts ist eine klare und gut definierte Produktvision. Diese Vision dient als Nordstern, an dem sich alle Projektbeteiligten orientieren können. Tools wie das Product Vision Board, Elevator Pitches oder die Feature Box bieten strukturierte Ansätze zur Erstellung einer solchen Vision.

Mit dem Beispiel zur Entwicklung einer Produktvision für eine App zur Reduzierung von Food Waste lässt sich einfach verdeutlichen, wie AI bei der Entwicklung einer Produktvision unterstützt.

Ziel ist, mit einem AI-Tool, wie ChatGPT, ein Product Vision Board für eine App gegen Food Waste entwickeln. Die Lebensmittelverschwendung in der Schweiz soll innerhalb der nächsten fünf Jahre um 50% reduziert werden.

ChatGPT unterstützt bei der Entwicklung interaktiv und hilft, die zentralen Elemente der Vision zu formulieren. Im Fall der Food Waste App sieht das Product Vision Board als Ergebnis wie folgt aus:

Vision Statement: «Lebensmittelverschwendung in der Schweiz um 50 % reduzieren innerhalb der nächsten fünf Jahre.»

Zielgruppe:

  • bewusst nachhaltige Haushalte
  • bedürftige Personen
  • Restaurants oder Cafés
  • Supermärkte
  • gemeinnützige Organisationen

Bedürfnisse: nachhaltiger Konsum von überschüssigen Lebensmitteln, Unterstützung von Bedürftigen durch Umverteilung, Reduktion von unnötigen Kosten durch Lebensmittelverschwendung.
Produkt: Eine benutzerfreundliche Plattform, die es ermöglicht, überschüssige Lebensmittel effizient zu verteilen und so die Verschwendung zu minimieren. Community inklusive.
Geschäftsziele: Etablierung in vier Schweizer Städten mit 1’000 Nutzern im ersten Jahr, Expansion in der Schweiz und im europäischen Ausland in den ersten fünf Jahren auf 150’000 Nutzern, 50% Reduktion von Food Waste in der Schweiz innerhalb der nächsten fünf Jahre, Umsatzgenerierung durch Premium Features und Transaktionsgebühren bei Unternehmen.

Mithilfe der AI wurden diese Punkte Schritt für Schritt erarbeitet. Zunächst wurde das Vision Statement formuliert, das die übergeordnete Zielsetzung der App klar definiert. Anschliessend half die AI dabei, die relevanten Zielgruppen zu identifizieren und deren spezifische Bedürfnisse herauszuarbeiten. Die Plattform selbst und ihre wichtigsten Funktionen wurden darauf basierend entwickelt, um die identifizierten Bedürfnisse optimal zu erfüllen. Schliesslich wurden die geschäftlichen Ziele festgelegt, die als Orientierung für den langfristigen Erfolg der App dienen.

Das fertige Product Vision Board führt alle diese Elemente zusammen. Es verdeutlicht visuell, wie alle Teile der Vision miteinander verbunden sind und wie AI-Tools dabei helfen können, eine klare und strukturierte Produktvision zu entwickeln


Die interaktive Nutzung von AI-Tools in diesem Prozess ermöglicht es, verschiedene Ideen zu testen, anzupassen und zu verfeinern, bis eine stimmige und überzeugende Produktvision entsteht, die das Projekt erfolgreich leitet.

Impact Mapping und AI: Priorisierung von Features

Impact Mapping ist ein weiteres mächtiges Werkzeug im Requirements Engineering, das dabei hilft, die wichtigsten Akteure und deren Einfluss auf das Erreichen der Projektziele zu identifizieren und dadurch die entsprechenden Features zu priorisieren. AI-Tools können diesen Prozess erheblich unterstützen, indem sie die relevantesten Akteure sowie die potenziellen Auswirkungen ihrer Handlungen identifizieren.

Um die Funktionsweise von Impact Mapping zu verdeutlichen, betrachten wir erneut die Entwicklung der App zur Reduzierung von Food Waste mit der Zielsetzung die Lebensmittelverschwendung in der Schweiz um 50 % innerhalb von fünf Jahren zu reduzieren. Mithilfe eines AI-Tools wie ChatGPT kann man eine Impact Map Schritt für Schritt erstellen und dabei jeweils das Element mit dem grössten Potenzial identifizieren, um das Ziel zu erreichen.

Als Eingabe für mehr Kontext für die AI kann das Product Vision Board verwendet werden, das zuvor entwickelt wurde.

Der Prozess beginnt mit der Festlegung des Business Goals: «Reduktion der Lebensmittelverschwendung in der Schweiz um 50 % innerhalb von fünf Jahren.»
Im nächsten Schritt identifiziert die AI die relevanten Akteure, die in das Projekt involviert sind oder dessen Ausgang beeinflussen können. In unserem Beispiel könnten dies bewusst nachhaltige Haushalte, bedürftige Personen, Unternehmen wie Restaurants, Cafés und Supermärkte oder gemeinnützige Organisationen sein.

Die AI hilft dabei, den Akteur mit dem grössten Potenzial zur Erreichung des Ziels auszuwählen – in diesem Fall die Unternehmen. Der nächste Schritt besteht darin, die potenziellen Impacts zu ermitteln, die dieser Akteur auf das Ziel haben kann. Hier könnte die AI verschiedene Optionen aufzeigen, wie z.B. die Teilnahme in Nachhaltigkeitsinitiativen, die Einführung bewährter Verfahren in der Abfallwirtschaft, oder das regelmässige Anbieten von überschüssigen Lebensmitteln.

Anstatt alle möglichen Pfade zu verfolgen, fokussiert man sich mit der AI auf den Impact, der das grösste Potenzial hat – in diesem Fall könnte dies das regelmässige Anbieten von überschüssigen Lebensmitteln sein. Schliesslich identifiziert die AI die wichtigsten Deliverables oder Features, die erforderlich sind, um diesen Impact zu erzielen. Beispiele hierfür könnten ein benutzerfreundliches und automatisiertes Listing Tool, ein Anreizprogramm für die regelmässige Teilnahme, sowie ein Reporting Dashboard für die positive Auswirkungsanalyse sein.

Schrittweises Vorgehen mit AI-Unterstützung

Ein entscheidender Vorteil des Impact Mappings mit AI ist die Fähigkeit, den Prozess iterativ zu gestalten. Anstatt eine umfassende Map mit allen möglichen Ästen und Verbindungen zu erstellen, bewegt man sich von einem Schritt zum nächsten, indem man sich immer auf das Element mit dem grössten Potenzial konzentriert. Dies macht das Tool nicht nur effizient, sondern auch übersichtlich und leicht verständlich.

Mit einem gut formulierten Prompt kann man die AI dabei beobachten, wie sie Schritt für Schritt die Impact Map erstellt. Dies erlaubt es dem Team, sich auf die Aspekte zu konzentrieren, die den grössten Einfluss auf das Projektziel haben, und unnötige oder weniger wertvolle Pfade frühzeitig auszuschliessen.

Durch den Einsatz von AI im Impact Mapping wird nicht nur die Qualität der Analyse verbessert, sondern auch die Geschwindigkeit und Effizienz des gesamten Prozesses erheblich gesteigert. Das Resultat ist eine klar strukturierte und zielgerichtete Impact Map, die den Weg zum Erreichen der Business Goals deutlich macht und die Priorisierung der nächsten Schritte erleichtert.

Prompten: Der Schlüssel zur AI-Nutzung

Ein guter Prompt setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einem allgemeinen Teil, der die Aufgabenbeschreibung umfasst, und einem spezifischen Teil, der auf das jeweilige Projekt zugeschnitten ist. Für Aufgaben, die man immer wieder mit der AI erledigen möchte, kann man komplexe Prompts in einem eigenen Assistenten kapseln, bei OpenAI auch CustomGPTs genannt. Die Ergebnisse aus ChatGPT, Claude, Gemini, Llama & Co in Textform können in spezialisierten AI-Tools für die Erstellung von Diagrammen weiterverarbeitet werden.

Dies sind zwei automatisiert erstellte Diagramme aus dem Product Vision Board und Impact Map Solche Diagramme lassen sich jeweils manuell überarbeiten und verfeinern, da die AI, wie schon erwähnt, nur als Assistent dienen sollte.

Impact Map Diagramm
Dies sind zwei automatisiert erstellte Diagramme aus dem Product Vision Board und Impact Map Solche Diagramme lassen sich jeweils manuell überarbeiten und verfeinern, da die AI, wie schon erwähnt, nur als Assistent dienen sollte.

AI verändert Requirements Engineering nachhaltig

Die Bedeutung von AI im Requirements Engineering kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie erleichtert nicht nur die Erhebung, Dokumentation, Validierung und das Management von Anforderungen, sondern ermöglicht auch die Generierung von Bildern, Grafiken, Videos und Audio. Darüber hinaus können massgeschneiderte AI-Assistenten entwickelt werden, die spezifische Aufgaben kontinuierlich unterstützen. AI ist somit nicht nur ein Trend, sondern eine Schlüsseltechnologie, die das Anforderungsmanagement nachhaltig verändert.

AI im Requirements Engineering

Der richtige Einsatz von Artificial Intelligence (AI) im Requirements Engineering kann Grosses bewirken. Erfahren Sie, wie Sie AI-Tools effektiv nutzen können, um Anforderungen zu analysieren, zu dokumentieren und die Qualität Ihrer Projekte langfristig zu verbessern. Im Kurs werden praxisnahe Anwendungsbeispiele mit dem Einsatz von AI bearbeitet. Zudem werden die Grenzen, Herausforderungen und ethischen Fragestellungen von AI im Requirements Engineering thematisiert.

Der richtige Einsatz von Artificial Intelligence (AI) im Requirements Engineering kann Grosses bewirken. Erfahren Sie, wie Sie AI-Tools effektiv nutzen können, um Anforderungen zu analysieren, zu dokumentieren und die Qualität Ihrer Projekte langfristig zu verbessern. Im Kurs werden praxisnahe Anwendungsbeispiele mit dem Einsatz von AI bearbeitet. Zudem werden die Grenzen, Herausforderungen und ethischen Fragestellungen von AI im Requirements Engineering thematisiert.


Autor/in

Michael Mey

Michael Mey ist Co-Gründer von Obvious Works, die sich auf Coaching, Consulting und Training im Agilen Bereich spezialisiert hat. Zuvor hat er in seiner über 15-jährigen Karriere die Softwareentwicklung in internationalen Grossunternehmen der Finanzindustrie in unterschiedlichen Rollen kennen gelernt: Entwickler, Datenbankspezialist, Business Analyst, Technical Lead, Projektleiter, Produkt Manager und Abteilungsleiter. Dabei haben ihn die Themen Requirements Engineering und Scrum seit vielen Jahren stets begleitet. Daneben beschäftigt sich Michael leidenschaftlich gerne mit Digital Marketing und Blockchain. Als Co-Gründer von twire baut er Web3 Projekte im Bereich DAO und NFT. Zu den Kunden von twire zählen hauptsächlich etablierte, traditionelle Unternehmen, die mit einem validen Business Case den nächsten logischen Schritt in die Cryptowelt machen. Michael ist Diplom-Informatiker (FH) und hat Allgemeine Informatik (Schwerpunkte: Netzwerke und Künstliche Intelligenz) in Furtwangen und Prag studiert.