Sonia Reimelt: «Frauen haben es einfacher in der Tech-Branche Fuss zu fassen»
Sonia Reimelt hat sich nie für etwas anderes als Technik und Informatik interessiert. Ihre Begeisterung gibt die Testmanagerin von Swisscom als Mentorin bei den Swiss TecLadies weiter. Gut so, denn an Vorbildern mangelt es wahrlich. Dabei standen die Chancen für Frauen in der Tech-Branche nie besser.
Seit 7 Jahren arbeitet Sonia Reimelt als Testspezialistin bei Swisscom. Swisscom treibt intern die Gleichstellung der Geschlechter voran, organisiert Events und Kurse nur für Frauen. Bei einer diesen Gelegenheiten erfährt Sonia von den Swiss TecLadies, die immer auf der Suche nach neuen Mentorinnen sind.
Sonia Reimelt, Swisscom
Seit 2020 engagiert sich Sonia als Mentorin und arbeitet mit Sandra Weidmann zusammen. Die gelernte Betriebswirtin ist operative Leiterin des Mentoring-Programms, das im kommenden September bereits in die dritte Auflage startet.
Einen technischen Hintergrund hat Sandra aber auch: Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn hat sie im Verkauf bei IBM gearbeitet. Heute kombiniert sie ihr technisches Interesse mit dem für sie sinngebenden Ausbildungsbereich bei den Swiss TecLadies.
Sandra Weidmann, Swiss TecLadies
Im gemeinsamen Interview mit Digicomp sprechen Sonia Reimelt und Sandra Weidmann über die Ursachen des unterschiedlich ausgeprägten Technik-Interesses bei Jungen und Mädchen und wie man Mädchen das Selbstbewusstsein geben kann, technische Sachen einfach auszuprobieren.
Haben Frauen es eurer Meinung nach leichter oder schwerer, in der Tech-Branche Fuss zu fassen?
Sonia: Ich finde, dass Frauen es einfacher haben – weil es eben so wenige gibt. Heutzutage ist es für die IT-Branche ohnehin schwierig, Fachkräfte zu finden. Seit ein paar Jahren findet zudem eine Umstellung der Arbeitswelt statt: Der Trend geht zu diversen, agilen Teams und flachen Hierarchien. In so einer Arbeitsumgebung haben es Frauen noch einfacher – denn sie sind in der Regel nicht für sich selbst ehrgeizig, sondern wollen, dass das Team erfolgreich ist.
Sandra: Es ist wirklich kein Nachteil mehr, eine Frau zu sein. Viele Unternehmen treiben die Diversität voran – wenn Frauen einen Job wollen, dann haben sie sehr gute Aussichten, ihn auch zu bekommen. Schwieriger ist noch immer der Weg dahin, denn da sind noch einige Hindernisse zu überwinden.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wurdet ihr von euren männlichen Kollegen ernst genommen oder musstet ihr euch erst behaupten?
Sonia: Ich persönlich habe wenige schlechte Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Männern gesammelt. Schwierigkeiten können Frauen haben, wenn sie aufsteigen wollen. Viele Männer wollen beruflich vorankommen und schieben dann die Frauen beiseite. Aber ich bin niemand, die sich das Wort nehmen lässt.
Sandra: Wenn ich auf meine Zeit bei IBM zurückblicke, dann wurden weibliche IT-Spezialistinnen genauso ernst genommen wie ihre männlichen Kollegen. Die paar wenigen Frauen, die es damals gab, wurden sogar noch besonders gefördert. Die Akzeptanz war nie das Problem, auch für mich persönlich nicht.
Habt ihr eine Mentorin oder einen Mentor auf eurem Weg gehabt?
Sonia: Ich hätte mir eine Mentorin gewünscht, hatte aber leider keine.
Sandra: Ich hatte immer wieder verschiedene, auch männliche Mentoren, die mich unterstützt haben. Bei IBM waren es vor allem jüngere Führungskräfte, bei denen bereits ein Umdenken stattgefunden hatte.
Es kursieren viele Klischees über Frauen in der IT. Welches könnt ihr gar nicht mehr hören?
Sonia: Mich stören gar nicht so sehr die IT-spezifischen Vorurteile, sondern das generelle Schubladendenken über Frauen. Zum Beispiel dass Frauen gerne shoppen gehen oder sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten müssen.
Sandra: Dass Frauen von Natur aus nicht so starke digitale Kompetenzen haben, schlägt mir häufig entgegen – oder auch, dass Frauen nach dem ersten Kind den Job verlassen, weil sie Job und Familie nicht unter einen Hut bringen. Das stimmt so nicht mehr.
Durch Swiss TecLadies seid ihr in Kontakt mit Jugendlichen. Unterscheidet sich das Technik-Interesse zwischen Mädchen und Jungen? Wie gehen Sie gegen die Unterschiede an?
Sonia: Da gibt es tatsächlich grosse Unterschiede. Die Frage ist aber nicht, ob das Interesse bei Mädchen nicht da ist, sondern ob ihnen Technik überhaupt angeboten wird. Das fängt schon in den Spielzeugläden an, die klar in Jungen- und Mädchenbereiche unterteilt sind: Die Jungs sollen mit Robotern und Lego Technik spielen, die Mädchen verkleiden sich als Prinzessinnen. Es ist ganz schwierig, dagegen anzukämpfen. Als Mentorin versuche ich, Mädchen das Selbstbewusstsein zu geben, technische Sachen einfach mal auszuprobieren.
Sandra: Die Unterschiede haben mit den verankerten Stereotypen zu tun. Deshalb trauen sich Mädchen oft nicht so viel zu wie Jungen. Dabei gibt es keinen logischen Grund dafür, dass Mädchen sich nicht für Technik, sondern für Puppen interessieren sollen. Bildungsverantwortliche und Eltern, eigentlich das ganze Umfeld, müssen dahingehend sensibilisiert werden.
Mal angenommen, es gäbe eine Tech-Fee: Welchen Wunsch könnte sie euch erfüllen?
Sonia: Dass es mehr Technik für Kinder beider Geschlechter gibt, damit alle ausprobieren können, ob das etwas für sie ist.
Sandra: Dass sich Mädchen viel mehr zutrauen! Dass sie selbstverständlicher die Welt der Technik in ihre Berufswahl miteinbeziehen und so die enorme Vielfalt der technischen Tätigkeitsfelder überhaupt entdecken.
Bitte vervollständigt den Satz: Wenn mehr Frauen in der Tech-Branche arbeiten würden, dann…
Sonia: … wären genug Rollenvorbilder da, die noch mehr Frauen in die IT locken würden.
Sandra: … hätten wir immer noch genug zu tun, um das Technikinteresse und -verständnis bei Jugendlichen zu fördern und dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken.
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