Unterschiede öffentliche Verwaltung & Privatwirtschaft

Öffentliche Verwaltungen unterscheiden sich in ihren Aufgaben und Arbeitsweise zum Teil recht stark von der Privatwirtschaft. Inwieweit zeigt dieser Beitrag auf.

Autor/in Konrad Roelz
Datum 10.02.2017
Lesezeit 8 Minuten

Im #smsm37 bin ich immer wieder mit Fragestellungen und auch mit Begriffen konfrontiert worden, die ich von meiner Aufgabe beim Kanton, also einer öffentlichen Verwaltung, her nicht kenne und hin und wieder habe ich auch den einen oder anderen fragenden oder ungläubigen Blick gespürt.

Für viele scheinen öffentliche Verwaltungen eine Art Blackbox zu sein – irgendwie nötig, doch weiss man nicht so recht, was da drin steckt und das “das Ding” irgendwie ineffizient zu funktionieren scheint.

Dann will ich doch die Gunst der Stunden nutzen, den einen oder anderen Einblick ermöglichen und einige Unterschiede aufzeigen.

Keine Beamten!

Immer wieder ist von den Beamten die Rede, auch die allwissenden Zeitungen schreiben immer von den Beamten. Dabei ist der Beamtenstatus schon längst abgeschafft worden. Die Verwaltungsangestellten haben normale Arbeitsverträge, die gekündigt werden können. Dies geschieht auch hin und wieder. Staatsangestellte haben also keine Anstellung auf Lebenszeit und sind geschützt. Da staatliche Institutionen jedoch auch eine gewisse Vorbildrolle mit sozialer Verantwortung übernehmen sollen, ist die Hemmschwelle in der Regel höher, Angestellte zu entlassen oder man sucht verwaltungsintern nach Lösungen und versucht, jemanden intern umzuplatzieren, damit er am Schluss nicht arbeitslos wird. Die hire-and-fire-Mentalität ist also nicht so ausgeprägt wie in der Privatwirtschaft.

Konkurrenzlos und nicht gewinn- sondern serviceorientiert

Firmen müssen Produkte und Dienstleistungen verkaufen und stehen in permanentem Kampf mit Mitbewerbern. Es muss Umsatz gebolzt werden, der Gewinn gesteigert, die ganzen Prozesse auf Effizienz getrimmt und die Kosten minimiert werden. Eine Verwaltung hingegen muss weder Umsätze noch Gewinne steigern. Eine Verwaltung bietet konkurrenzlose Dienstleistungen. Einen Pass kann man nicht irgendwo in einem Laden kaufen, man geht dafür aufs kantonale Passbüro. Bei einem Umzug meldet man sich auf der Einwohnergemeinde an und ab. Es reicht nicht, dies dem Nachbarn mitzuteilen. Oder die Landesverteidigung ist Sache des Bundes. Man stelle sich vor, das Militär würde durch private Firmen organisiert – Kompanien konkurrenzierender Möchtegern-Rambos wollen wir wohl alle nicht in unserem Land sehen.

Eine Verwaltung muss die ihr zugewiesenen Aufgaben möglichst effizient erledigen. Sicher geschieht das nicht immer effizient und es besteht Optimierungspotenzial, wie auch bei jeder privatwirtschaftlichen Firma auch. Der Staat erledigt jedoch viele Aufgaben im Dienste der Bürger, sei es die Abfallentsorgung, die Strassenräumung im Winter, generell der Unterhalt von Infrastruktur wie Strassen, Brücken, Tunnels oder Seeufer. Zu den Services gehört auch das Sicherstellen der Rechtsstaatlichkeit, ohne die weder unsere Wirtschaft noch das Zusammenleben der Zivilgesellschaft funktionieren würde.

Gesetzliche Grundlagen

Grundlage für die staatlichen Arbeiten sind die Gesetze. Eine häufige Frage innerhalb einer öffentlichen Verwaltung ist denn auch “welches ist die gesetzliche Grundlage?” Ohne eine solche gesetzliche Grundlage wir ein Verwaltungsangestellter kaum etwas machen. Weil er sich sonst auf rechtlich dünnes Eis begibt! Dies schränkt natürlich die unternehmerische Freiheit von Verwaltungen und ihren Angestellten ein. Auch wenn der gesunde Menschenverstand Handlungsbedarf sieht – ohne entsprechende gesetzliche Grundlage geht eigentlich gar nichts. Wenn ich den Vergleich zu Banken oder zur Baubranche mache – hier ist das Ritzen von Gesetzen oder das Arbeiten zumindest im Graubereich ja bisweilen fast schon Teil des Geschäftsmodelles. Eine Verwaltung kann sich so etwas kaum leisten. Eine Firma kann viel Geld in ein Projekt investieren und in den Sand setzen, ohne dass dies die Öffentlichkeit mitbekommt. Die Banken haben vor Jahren das Finanzsystem an die Wand gefahren. Ich habe niemanden gesehen, der gefragt hat, ob die Banken ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachgekommen sind. Die fehlenden Gewinne haben auch zu fehlenden Steuern geführt, die am Schluss durch den Steuerzahler wettgemacht worden sind.

Nun kann man natürlich beispielsweise auf die IT-Skandale beim Bund oder auch bei Kantonen verweisen und sagen, wieviel Geld da durch Inkompetenz oder Korruption verlorgen gegangen ist. Hier muss man jedoch auch berücksichtigen, dass Verwaltungen keine IT-Spezialisten sind. Das Gesetz zwingt eine öffentliche Verwaltung, ab einem bestimmten Volumen Aufträge öffentlich auszuschreiben, damit keine Firma bevorzugt wird und auf dem Markt gleiche Bedingungen herrschen. Für viele Firmen sind solche Aufträge höchst willkommen, um sich aus den “Töpfen des Staates” bedienen zu können. Gerade die Privatwirtschaft macht dann nicht immer seriöse Angebote, was sich kaum erkennen lässt, und versucht, den Staat abzuzocken. Es ist also nicht nur Inkompetenz oder Unwissen auf Seiten des Staates sondern häufig auch – vornehm ausgedrückt – ein starkes unternehmerisches Verhalten von Seiten der Firmen, weniger vornehm ausgedrückt, es gibt Firmen, die versuchen schlicht, den Staat zu bescheissen! Sei es mit falschen Versprechungen oder mit fehlerhaften oder ungenügenden Leistungen. Wer also über diese IT-Debakel schimpft, sollte immer auch die Rolle der beteiligten Firmen hinterfragen!

Arbeiten hinter den Kulissen

Dann gibt es viele Arbeiten auf einer öffentlichen Verwaltung, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommt, die jedoch gemacht werden müssen. Beispiel: wenn Bundesratswahlen anstehen, so organisiert jeder Kanton, der einen Kandidaten stellt, eine Bundesratsfeier. Bei 3 Kandidaten wie beim letzten Mal, so haben 3 Kantone, in diesem Fall Zug, Thurgau und Waadt, eine Feier organisiert, d.h. einen Saal reserviert, die Deko und das Catering besorgt, Festredner angefragt, einen Festumzug geplant, das Drehbuch, die Sitzordnung organisiert, Gästelisten und Einladungen vorbereitet etc. etc. Das alles kostet Zeit und Geld, muss aber gemacht werden!

Anderes Beispiel: wieso gibt es in der Schweiz noch kein flächendeckendes eVoting? Zum Einen mussten erst die entsprechenden Gesetze erarbeitet werden. Bevor diese Gesetze zur Verfügung stehen, haben 3 Kantone Pilotprojekte durchgeführt. Das heisst, es gibt 3 unterschiedliche Systeme. Jeder dieser Kantone sagt, dass sein System super funktioniere. In der Praxis hat sich jedoch noch keines dieser Systeme durchgesetzt. Die anderen Kantone warten ab und wollen ja nicht in ein System investieren, das dann möglicherweise wieder verschwindet. Es gibt aber noch einen ganz anderen pragmatischen Grund: seit Jahren kann man an den Urnen und brieflich abstimmen/wählen. Das sind bewährte low-tech-Systeme, die praktisch fehlerfrei funktionieren. Bei eVoting muss jedoch 100% sichergestellt sein, dass keine Fehler oder Manipulationen möglich sind. Das macht eVoting-Systeme sehr teuer! Beim aktuellen Stand der Technik käme eine einzelne eVoting-Stimme sehr teuer zu stehen. Wollen wir wirklich nebst zwei funktionierenden Systemen noch ein drittes, sehr teures System aufbauen? Für wenige Personen, die dann elektronisch abstimmen werden? Klar ist, dass eVoting kommen wird, sicher nicht so schnell jedoch wie das die digital natives gerne hätten.

Social Media

Aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben und Ausrichtung von öffentlichen Verwaltungen gegenüber der Privatwirtschaft müssen auch Social-Media-Aktivitäten anders angeschaut und angepackt werden. Ein Skigebit kann z.B. eine SoMe-Strategie entwicklen mit dem Ziel, mehr Skiabos zu verkaufen. Die Verwaltung kann das nicht, sie muss nicht mehr Pässe verkaufen, mehr Autos prüfen oder mehr Spitäler planen, entsprechend müssen sich die SoMe-Aktivitäten mehr an Zielen wie Transparenz, Awareness oder Reputation orientieren.


Autor/in

Konrad Roelz