Unterschiede öffentliche Verwaltung & Privatwirtschaft

Unternehmen gelten als innovativ und gewinnorientiert, Verwaltungen als angestaubt und träge. Doch stimmen diese Klischees? Und unterscheiden sich öffentliche Verwaltung und Privatwirtschaft tatsächlich so sehr voneinander? Wir klären auf!

Autor/in Konrad Roelz
Datum 10.02.2017
Lesezeit 6 Minuten

Wer am Anfang seines Berufslebens steht, steht mitunter auch vor der Entscheidung, ob er/sie in den sicheren Schoss der öffentlichen Verwaltung einkehrt oder sein/ihr Glück lieber in der Privatwirtschaft versucht. Erstere verspricht ein solides Einkommen und Planungssicherheit bis zur Rente, Letztere grössere Gehaltssprünge, individuelle Weiterentwicklung und Innovation. Aber ist das wirklich so?

Der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft haften viele Klischees an – gute und schlechte. Vor allem vom öffentlichen Dienst haben Schweizerinnen und Schweizer oft kaum eine genaue Vorstellung, sie ist für viele eine Art Blackbox. Zeit, den Vergleich zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft anzustellen.

Was heisst Verwaltung? Was meint Privatwirtschaft?

Der öffentliche Dienst umfasst staatliche Organe und Institutionen sowie öffentliche Unternehmen und ist für das Ausführen von staatlichen und täglichen Aufgaben zuständig: zum Beispiel Abfallentsorgung, Strassenräumung im Winter, Unterhalt von Strassen und Brücken. Sie wird in öffentliche Verwaltungen (Eidgenossenschaft, kantonale und kommunale Verwaltungen) und staatsnahe Organisationen, wie zum Beispiel Schulen und Zweckverbände, aufgeteilt. Die Verwaltung ist das Bindeglied zwischen den politischen Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern.

Die Privatwirtschaft umfasst hingegen alle Unternehmen in privater Hand. Sie sind nicht im Besitz des Staates und werden nicht von der Regierung kontrolliert. 99 Prozent der Unternehmen in der Schweiz sind KMU mit weniger als 250 Beschäftigten.

Im Dienst der Bürger/innen oder der Kundschaft

Unternehmen stehen im permanenten Wettbewerb. Ihr Ziel ist es, möglichst viele Kundinnen und Kunden zu überzeugen und zu binden, möglichst viele Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen und möglichst viel Umsatz zu generieren. Sie richten sich an der Kundschaft und deren Bedarfen aus, wollen zeitgleich aber Gewinne einfahren. Deshalb versuchen sie, ihre Prozesse auf Effizienz zu trimmen und die Kosten zu minimieren.

Öffentliche Verwaltung funktioniert anders: Sie bietet konkurrenzlose Dienstleistungen an. Um einen neuen Pass zu beantragen, müssen Schweizerinnen und Schweizer zwingend ins kantonale Passbüro – einen Mitbewerber gibt es nicht. Die öffentliche Verwaltung stellt sich ganz und gar in den Dienst der Bürgerinnen und Bürger. Anders als die Privatwirtschaft ist sie dabei nicht profitorientiert und nicht immer so effizient, wie sie sein könnte. Doch auch bei privatwirtschaftlichen Firmen besteht durchaus Optimierungspotenzial.

Unternehmerische Freiheit vs. gesetzliche Grundlagen

Grundlage für die staatlichen Arbeiten sind die Gesetze. Ohne eine solche gesetzliche Grundlage werden Verwaltungsangestellte kaum etwas machen, weil sie sich andernfalls auf rechtlich dünnes Eis begeben. Dies schränkt natürlich die unternehmerische Freiheit von Verwaltungen und ihren Angestellten ein. Auch wenn der gesunde Menschenverstand Handlungsbedarf sieht – ohne entsprechende gesetzliche Grundlage geht eigentlich gar nichts.

In der Privatwirtschaft ist das Ritzen von Gesetzen oder das Arbeiten zumindest im Graubereich hingegen bisweilen fast schon Teil des Geschäftsmodelles. Eine Verwaltung kann sich so etwas kaum leisten, weil sie sich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern rechtfertigen muss. Eine Firma kann viel Geld in ein Projekt investieren und in den Sand setzen, ohne dass die Öffentlichkeit dies mitbekommt. Unternehmen sind daher aber auch freier in ihren Handlungen, können mehr Risiko wagen und verfügen deshalb auch über die grössere Innovationskraft. Ganz nach dem Motto: «Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.»

Wer ist der grössere Arbeitgeber?

In der Schweiz beträgt die Beschäftigung im öffentlichen Dienst laut aktuellem Bericht des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik 620.000 Vollzeitäquivalente – und sie wächst seit Jahren an: Innerhalb von zehn Jahren ist die Beschäftigung in den Gemeinden um 19,5 Prozent gewachsen, in den Kantonen um 14,1 Prozent und beim Bund um 5,1 Prozent. In der Privatwirtschaft liegt die Beschäftigung bei 3,6 Millionen Vollzeitäquivalenten, sie ist im selben Zeitraum um knapp 11 Prozent gewachsen.

Wer zahlt mehr Gehalt?

Die Frage aller Fragen lautet: Wo verdient man mehr, im öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft? Ganz so einfach lässt sie sich gar nicht beantworten.

Laut einer Studie des Luzerner Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Bundesverwaltung bei 118.457 Franken. In den Kantonen und Gemeinden verdienen die Angestellten durchschnittliche 92.723 Franken im Jahr. Die öffentlichen Unternehmen zahlen im Schnitt ein Jahresgehalt von 92.704 Franken.

In der Privatwirtschaft liegt das durchschnittliche Einkommen laut Bundesamt für Statistik bei 6510 Franken und damit deutlich niedriger als im öffentlichen Dienst (8094 Franken). Zu beachten ist aber, dass die Gehälter je nach Branche und Abschluss stark variieren und sich in der Privatwirtschaft mitunter deutlich mehr verdienen lässt:

  • Versicherungsbranche: durchschnittlich 8900 Franken im Monat
  • IT: durchschnittlich 9131 Franken im Monat
  • Finanzbranche: durchschnittlich 10.211 Franken im Monat
  • Pharmazie: durchschnittlich 10.040 Franken im Monat

Übrigens: Beamtenstatus gibt es nicht mehr

Vielfach ist immer noch von Beamtinnen und Beamten die Rede, wenn es um die öffentliche Verwaltung geht. Dabei ist der Beamtenstatus bereits 2002 abgeschafft worden. Die Verwaltungsangestellten haben normale Arbeitsverträge, die gekündigt werden können. Staatsangestellte haben also keine Anstellung auf Lebenszeit. Da staatliche Institutionen jedoch auch eine gewisse Vorbildrolle mit sozialer Verantwortung übernehmen sollen, ist die Hemmschwelle in der Regel höher, Angestellte zu entlassen. Vielmehr wird versucht, verwaltungsintern eine Lösung zu finden und jemanden intern zu versetzen.

Im Überblick: Vergleich öffentlicher Dienst und Privatwirtschaft

 

Öffentliche Verwaltung Privatwirtschaft
Staatliche Organe, Institutionen und öffentliche Unternehmen Unternehmen in privater Hand
Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger erbringen Kundenbedürfnisse erfüllen, Gewinne erzielen
Grundlage sind Gesetze Unternehmerische Freiheit
620.000 Vollzeitäquivalente 3,6 Millionen Vollzeitäquivalente
Durchschnittlich 8094 Franken/Monat Durchschnittlich 6510 Franken/Monat
Arbeitsvertrag, keine Anstellung auf Lebenszeit Arbeitsvertrag, keine Anstellung auf Lebenszeit

 


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Konrad Roelz

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