IT-Abteilungen stehen heute vor der Aufgabe, Agilität, Governance und Business Value in Einklang zu bringen. Frameworks wie ITIL und COBIT bieten dabei Orientierung – mit unterschiedlichen Ansätzen. Der Vergleich zeigt, worauf es aktuell ankommt und wie sich beide Modelle ergänzen können.
Genau wie ITIL 4 war Cobit 2019 die Antwort auf die raschen und grundlegenden Veränderungen in Methodik, Organisation und Technologie der IT. Genauso wie sich ITIL 4 vom Service Lifecycle hin zum Service Value System entwickelte, verabschiedete man sich bei Cobit vom umfassenden Anspruch der «Governance of Enterprise IT» hin zu «Enterprise Governance of IT». Der Unterschied scheint minim, aber der Anspruch veränderte sich grundlegend: Nicht mehr Vollständigkeit ist jetzt das Ziel, sondern Werterbringung und Wertnachweis durch die Fokussierung auf die Zielkaskade, die schon immer das zentrale Element einer Governance war.
Damit einher ging die Einführung einer neuen, flexiblen Architektur, die mittels neuer «Design-Faktoren» und «Fokus-Aereas» die Entwicklung einer auf die aktuelle Situation einer Organisation massgeschneiderte («tailored Enterprise Governance») ermöglichte:
Zur Ausgestaltung der Tailored Governance stellt Cobit dann ähnlich wie ITIL 4 Design Principles und Prozesse zur Verfügung. Allerdings hat man diese nun umbenannt in «Governance and Management Objectives». Diese 40 «Objectives» entsprechen dann ungefähr den 34 ITIL 4 Practices, die auch sehr einheitlich dokumentiert sind: Cobit 2019 beschreibt die Objectives in 7 Komponenten, während ITIL 4 die Practices nach den 4 Dimensionen strukturiert.
Beide Frameworks liefern auch zu allen Objectives/Practices Informationen zu Cabability-Levels mit Bewertungskriterien, die sich sehr gut für (Selbst-) Assessments eignen. ITIL 4 hat hier erst ab 2022 mit der Ergänzung der Cabability-Kriterien in allen 34 Practices nachgezogen. Ein gewisser Einfluss von Cobit 2019 lässt dabei kaum leugnen.
Beide Frameworks dokumentieren die Objectives und Practices sehr einheitlich, was die Anwendung vereinfacht; allerdings ist der Informations-Umfang sehr unterschiedlich: Während Cobit 2019 die Objectives jeweils auf ca. 6 Seiten in Tabellenform beschreibt, liefert ITIL 4 detaillierte Informationen auf 60-70 Seiten!
📌Damit wird der Einsatzzweck der beiden Frameworks klar: Cobit 2019 liefert Inputs zur Beantwortung der Fragen «Wieso?» und «Was?», während ITIL 4 uns sehr umfassende Antworten zum «Wie?» liefert.
Durch die kurze, hochkonzentrierte Beschreibung der Objectives kann Cobit 2019 sehr gut für die das Zuschneiden (Tailoring) der IT-Strategie und Governance , für das Baseline-Assessment und die Erstellung der Zielkaskade benützt werden. Cobit 2019 wird deshalb vor allem im Compliance- und Audit Bereich eingesetzt. In der Detail-Umsetzung erweist sich Cobit 2019 als durchaus komplex, wie das nachfolgende Beispiel der Zielkaskade für ein Management Objective zeigt:
In der Umsetzung dieser Ziele kann dann ITIL helfen, das einem dabei hilft, konkrete Wertströme und Processe zu entwickeln. Bei beiden Frameworks gilt jedoch immer «Adopt and Adapt» als Wert-Realisierungsmethode – von «Implementieren» spricht niemand mehr.
Beide Frameworks haben sich den Veränderungen der IT-Landschaft erfolgreich und elegant angepasst. Ob, wann und wie sie eingesetzt werden sollten, hängt jedoch stark vom gewünschten Ziel einer Verbesserungsinitiative ab. Die persönliche Erfahrung zeigt, dass sich Cobit 2019 sehr gut für Assessments und Zieldefinitionen eignet – mit einer kohärenten Verknüpfung zu den operationellen Tätigkeiten im IT-Betrieb. Es versucht somit, den Wert der IT für die strategischen Ziele der Organisation auszuweisen – nimmt damit also eher eine Innensicht ein. ITIL 4 hingegen sucht vor allem den Wert für die Kundschaft zu verbessern. ITIL ist für Praktiker*innen im IT-Betrieb und -Support konzipiert und ist damit sehr viel weiterverbreitet. Es lässt sich in allen Branchen und Unternehmensgrössen anwenden. Cobit kommt eher in regulierten Branchen (Financial Services, Pharma etc.) und in grösseren Organisationen zum Einsatz.
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