Change Management 2.0 – Erfolgreich verändern

Change Management hat in den letzten Jahren wesentlich zur Stabilisierung des IT-Betriebs beigetragen. In Zeiten der digitalen Transformation warten nun neue Herausforderungen und Chancen.

Autor/in Markus Schweizer
Datum 02.04.2015
Lesezeit 6 Minuten

Change Management hat in den letzten Jahren wesentlich zur Stabilisierung des IT-Betriebs beigetragen. In Zeiten der digitalen Transformation warten nun neue Herausforderungen und Chancen.

Autoren: Dr. Ingmar Hammerström, Markus Schweizer. Quelle: Computerworld 5/2015

Während der letzten zehn Jahre haben IT-Organisationen viel in Prozessverbesserungen zur Stabilisierung des Betriebs investiert. Dabei stand vor allem das Change Management im Fokus – mit entsprechend beeindruckenden Resultaten, wie das Beispiel einer Schweizer Versicherung zeigt.

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Von 2008 bis 2012 investierte diese massiv in das Prozessfeld Incident, Problem, Change und Configuration Management. Dadurch konnte die Betriebsstabilität enorm verbessert werden: Prio-1-Störungen gingen um 85 Prozent zurück, Prio-2-Störungen um 66 Prozent. Es wird nun Zeit, dieser Erfolgsgeschichte neue Tätigkeitsfelder zu eröffnen. Denn das Geschäftsumfeld und somit auch die Anforderungen an das Change Management haben sich in den letzten fünf Jahren fundamental verändert.

 

Bislang wurde Change Management häufi g aus der Perspektive des IT-Betriebs als rigoroser Beschützer der Produktionsumgebung umgesetzt. Entscheidungen zur Freigabe von Changes erfolgten mehrheitlich aus dem Blickwinkel der Risikominimierung, um das Ziel der Stabilisierung zu erreichen. Die Perspektive des Business und der Anwendungsentwicklung,
die auf eine höhere Flexibilität und Geschwindigkeit bei der Lieferung neuer Funktionalitäten zielt, wurde bisher oft vernachlässigt. Hier steht die IT im Dilemma «Sicherheit vs. Schnelligkeit». Im Zuge der digitalen Transformation gewinnt die Schnelligkeit, mit der sich Unternehmen an neue Marktanforderungen anpassen können, immer mehr an Bedeutung. Häufig agieren aber Entwicklung und Betrieb immer noch in Silos und weisen eine verhärtete Kommunikation untereinander auf. Es fehlt ein durchgängiges End to End Change Management, das beide Perspektiven verbindet.

Das Tempo nimmt zu

Mittlerweile ermöglichen neue Technologien wie Virtualisierung und Cloud-Services, aber auch die neuen agilen Methoden der Anwendungsentwicklung, einen viel höheren Grad an Flexibilität und Geschwindigkeit bei gleichzeitig verringerten Risiken. Die noch auf statische IT-Strukturen ausgerichteten Change-Management-Prozesse können dies relativ schlecht ausnützen. Deshalb ist gerade in diesem Umfeld eine neue Denkweise entstanden: Die DevOpsBewegung versucht, einen integrierten, durchgängigen Prozess von der Anwendungsentwicklung bis zur Produktivsetzung zu etablieren. Die Ablösung eigenentwickelter Anwendungen (z.T. noch auf Mainframes laufend) ist zurzeit in vielen Organisationen wieder sehr aktuell.

Nach grossen Fehlschlägen mit Big-Bang-Ansätzen in der 0er-Dekade versucht man es jetzt mit einem inkrementellen, mehrjährigen Ablöseprozess. Die Komplexität der Anwendungen, die über Jahre gewachsen sind und üblicherweise über mehrere Hundert Schnittstellen mit Umsystemen kommunizieren, stellt enorme Anforderungen an das Test und Release Management. Ohne starke Verzahnung von Program, Project und Change Management sind die Risiken kaum beherrschbar.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Um diese neuen Herausforderungen zu meistern, bieten sich mehrere Ansätze an:

Etablieren eines End-to-End-Prozesses:
Damit die Anforderungen nach mehr Flexibilität und Schnelligkeit erfüllt werden können, muss sich das Change Management vom technischen Gatekeeper mit Fokus auf die Risikominimierung zu einem Wertschöpfungsprozess für die Business-Kunden entwickeln. Dazu müssen die starren Mauern zwischen Anwendungsentwicklung und Betrieb zugusten eines durchgängigen Change Managements überwunden werden.

Variabilität durch angepasste Prozessausprägungen:
Neue und alte Technologien werden in den IT-Organisationen bis auf Weiteres nebeneinander existieren, sodass der ChangeManagement-Prozess unterschiedliche Geschwindigkeiten der Veränderung verarbeiten können muss. Während Eigenentwicklungen und Standardanwendungen nach wie vor mit regelmässigen Release-Wechseln zwei- bis viermal pro Jahr erneuert werden, können Web und Cloud-Anwendungen in einer sehr viel höheren Kadenz verändert werden. Es braucht einen integrierten Prozess, der in verschiedenen Change-Modellen unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Aus der Praxis drängen sich vier Modelle auf. Davon sind zwei eher traditionelle Anwendungsentwicklungsmodelle für Eigenentwicklungen und Standardanwendungen, bei denen eine enge Verzahnung mit dem Programm- und Projektmanagement wichtig ist. Die anderen beiden Modelle für technische Changes und für Web-&-Cloud-Umgebungen erlauben die Nutzung neuer Ansätze wie z.B. Agile und DevOps. Hier muss der Fokus auf Automatisierung liegen, damit die Changes in hoher Kadenz und gleichzeitig hoher Qualität ausgeliefert werden können.

Starke, zentrale Prozess-Governance:
Durch die Vielfalt der unterschiedlichen Prozessausprägungen kommt der Steuerung und Governance des Prozesses eine zentrale Bedeutung zu: Eine übergeordnete Stelle muss für die verschiedenen Ausprägungen, Geschwindigkeiten und Automatisierungsgrade im Change-Management-Prozess gemeinsame Regeln vorgeben und Kontrollmassnahmen wirksam aufsetzen. Diese Grafik zeigt dazu beispielhaft eine zweistufige Prozess-Governance zur Unterstützung der Prozessausprägungen, wie sie in einer Organisation der öffentlichen Verwaltung als Konzept verabschiedet wurde.

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Unterschiedliche Anwendungsentwicklungsmodelle (z.B. Wasserfall, Agile) mit unterschiedlichen Anforderungen an die Geschwindigkeit der Auslieferung neuer Funktionalitäten können mit angepassten Change-Modellen bedient werden, für die jeweils ein Change Manager verantwortlich ist. Darüber gibt es aber eine integrierte Governance-Struktur mit einem Prozess-Owner als Führungs- und einem Prozessausschuss als Steuerungsorgan. Der Aufbau dieser mehrstufigen Prozessorganisation ist komplex und muss schrittweise aufgebaut werden.

Fazit: Tempo als Erfolgsfaktor

Robustes und schnelles Change Management ermöglicht Flexibilität. Dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor jeder IT-Organisation. Der Fokus muss sich dazu von der Risikominimierung auf eine optimale Unterstützung des Business verschieben. Jede Veränderung muss unter der Governance des Change Managements stehen – die Ausführung jedoch individuell gestaltbar sein. Die wachsende Komplexität bleibt durch eine starke Integration mit verwandten Prozessen (Programm-/Projektmanagement) und durch neuste Technologien zur Erhöhung des Automatisierungsgrads beherrschbar.


Ingmar Hammerström

Dr. Ingmar Hammerström

verantwortet bei der AWK Group den Bereich IT-Prozesse & -Organisation


Autor/in

Markus Schweizer

Markus Schweizer ist Digicomp Trainer, ITIL®- und Cobit®-Experte und Strategie-Berater bei Plat4mation für alle Belange des IT-Managements. Zuvor arbeitete er für IBM und PwC und verbrachte er neun Jahre in den USA, wo er Grossfirmen beim Einsatz von Service-Management-Konzepten beriet. Seine Beratungsschwerpunkte sind IT Business Management, interne Digitalisierung, Governance und SIAM.