Penny Schiffer: «Im technischen Bereich zählt nur, was jemand leistet»
Schon als 10-jährige hat Penny Schiffer programmiert. Den Schritt in die Tech-Branche wagt sie aber erst später. Als Mitgründerin eines KI-Startups hilft sie heute Investorinnen- und Investorinnen smartere Entscheidungen zu treffen.
Penny Schiffer ist Mitbegründerin und CEO von Raized.ai, ein Startup im Bereich Künstliche Intelligenz für Risikokapitalanlagen. Die Züricherin hat eine KI-gestützte Software mitentwickelt, mit deren Hilfe Investoren besser entscheiden können, in welche Startups sie investieren möchten. Dabei können sie auch gezielt den Fokus auf Gendergerechtigkeit und Diversität legen.
Zuvor war Penny viele Jahre selbst als Investorin und Unternehmensberaterin tätig. Bei Swisscom wirkte sie viele Jahre als Head of Startup Inititatives und bei Accenture beriet sie Firmen im Bereich ICT.
Kürzlich wurde Penny in den Vorstand der swissICT gewählt, hier möchte sie sich insbesondere für die Zusammenarbeit mit Startups einsetzen.
Frauen sind in der IT-Welt leider immer noch selten. Wie bist du in dieser Branche gelandet?
Ich habe schon als 10-jährige mit dem Programmieren angefangen. Gemeinsam mit meinem Vater habe ich eine Lohnbuchhaltungssoftware für sein Unternehmen programmiert, die hat er auch lange genutzt. Er ist dann mit mir zu einer Computer-AG in der Schule gegangen – dort waren aber nur Jungs, die einige Jahre älter als ich und ziemlich nerdy waren. Das war mir zu sonderbar und ich habe keinen Anschluss gefunden – also bin ich diesen Weg erstmal gar nicht weitergegangen. Das bedaure ich heute ein bisschen. Meine Leidenschaft für Mathe blieb aber, in meinem Psychologie-Studium habe ich die Statistik geliebt. Ich habe dann lange als Unternehmensberaterin gearbeitet. Durch die Gründung von Raized.ai schloss sich der Kreis zur IT wieder, darüber bin ich sehr froh.
Hattest Du ein Vorbild oder eine Mentorin/Mentor, die/der dich auf deinem Weg unterstützt?
Ich habe heute einen tollen Mentor, der in seiner langen Laufbahn immer schon vor allem Frauen ermutigt und unterstützt hat. Er schafft es, komplexe Dinge einfach zu machen, ermutigt mich, neue Dinge erstmal im Kleinen zu probieren. Es hat bei mir tatsächlich ein bisschen gedauert, bis ich mir das Technische zugetraut habe. Auch dank der Unterstützung meines fantastischen Mentors habe ich mich aber nicht abschrecken lassen.
Es kursieren viele Klischees über Frauen in der IT. Welches kannst du gar nicht mehr hören?
Mir sind eher in meiner Managementfunktion Vorurteile gegenüber Frauen begegnet. Da geht es halt auch viel um Selbstdarstellung, die eigene Meinung zählt immer am meisten. Als Frau hat man es da manchmal schwer, gehört zu werden. Jetzt ist das anders. Da zählt nicht das Drumherum. Im technischen Bereich zählt nur, was jemand leistet.
Arbeitest du lieber mit Männern oder Frauen zusammen? Was muss sich deiner Meinung nach für eine gelungene Zusammenarbeit ändern?
Am liebsten sind mir gemischte Teams, aber die lassen sich nicht immer realisieren – es gibt einfach mehr Männer in der Branche. Neulich haben wir für ein Forschungsprojekt eine Stelle für einen Data Scientist ausgeschrieben. Ich hätte liebend gerne eine Frau eingestellt, aber wir bekamen deutlich mehr und bessere Bewerbungen von Männern. Es gibt generell zu wenige Ausbildungsplätze für IT-Kräfte, und die wenigen werden dann überwiegend von Männern besetzt. Wir brauchen in der Branche mehr Ausbildungsplätze und mehr Plätze für Frauen.
Ihr bietet eine Software an, die Investitionsentscheidungen in Startups mit Hilfe einer KI erleichtern soll. Welche Rolle spielt bei diesem Entscheidungsprozess Diversität und Gendergerechtigkeit?
Wir haben einen Suchfilter eingebaut, mit dem Investoren gezielt nach Startups suchen können, die ausschließlich von Frauen oder von Frauen mitgegründet wurden. Für den Grossteil der Investoren ist das uninteressant. Aber für die wachsende Nische, die es da gibt, möchten wir diese Möglichkeit unbedingt anbieten. Wichtig wäre eigentlich noch, Diversität hinsichtlich Alter und Ethnie mit Variablen unterstützen zu können. Aber das ist schwierig. Es gibt auch Grenzen, welche persönlichen Daten ein Algorithmus nutzen sollte, und wir möchten nicht leichtfertig mit solchen Informationen umgehen.
Du kennst die Startup-Szene seit vielen Jahren selbst aus Investorensicht: Wagen mehr Männer oder Frauen die Gründung eines Startups?
Es sind eindeutig mehr Männer, die den Schritt wagen. Das Unternehmertum ist immer noch ein männerdominierter Bereich. Kommen dann noch die Branchen Technologie und Finanzen hinzu, ist das Ungleichgewicht noch grösser. Und solche Startups sind es, die Venture Capital brauchen. Frauen, die unternehmerisch tätig sind, sind eher in anderen Branchen aktiv, zum Beispiel im Coaching oder Design. Dafür brauchen sie aber kein Venture Capital, also auch keine Investoren. Bei Startups kommt erschwerend hinzu, dass sie selten familienfreundlich sind. Das schreckt Frauen oft ab, auch, weil die Kinderbetreuung in der Schweiz so teuer ist. Wir mussten für unsere drei Kinder jeden Monat mehrere tausend Franken aufbringen.
Welchen Rat möchtest du Frauen mitgeben, die den Start in die IT-Branche und Startup-Szene wagen?
Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen! Informiert euch, lest euch ein und redet mit. Nur weil jemand anderes mit grösster Überzeugung eine andere Meinung vertritt, sollten Frauen nicht klein beigeben, sondern sich immer einbringen. Auch der Austausch mit anderen Frauen ist wichtig, weil sie dieselben Situationen erleben, wie man selbst. Das gibt Rückhalt und man fühlt sich nicht allein.
Mal angenommen es gäbe eine Tech-Fee: Welchen Wunsch könnte sie dir erfüllen?
Es wäre schön, wenn es schon für Kinder und Jugendliche mehr Tech-Kurse gäbe, die sie intellektuell herausfordern. Es gibt zwar viele Kurse, aber nicht für komplexe Inhalte. Nach Einsteigerkursen ist leider oft Schluss.
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