5 goldene Regeln für Erklärvideos mit Adobe After Effects
Animierte Erklärvideos liegen im Trend. Siehe jeder fünfte Clip auf YouTube. Vom Storyboard bis zum Teufel im Detail: Mit diesen Profi-Tipps aus der Praxis stechen Ihre Videos aus der Masse heraus.
Nein, ich widerspreche Ihnen als Leser nicht! Natürlich ist der Titel leicht irreführend, was haben Sie denn gedacht?
Erstens finden Sie hier nichts Goldverziertes: die fünf Ratschläge für Erklärfilme sind ziemlich handfest und bodenständig. Aber «hölzerne» oder «erdige» Tipps klingt meines Erachtens doof.
Und zweitens können Sie diese praxiserprobten Hinweise nicht nur für die Arbeit mit Adobe After Effects nutzen, sondern auch z.B. für Ihre HTML5-Werbebanner, die Sie mit Google Web Designer oder Adobe Animate erstellen. Letzteres ist vielleicht ein zumindest kleiner Ersatz für Gold.
Erklärvideos schiessen wie Pilze aus dem Boden
Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass sich im WWW je länger je mehr Erklärvideos finden? Leider macht ein Erklärvideo allein noch keinen guten Content.
Ihnen ist bestimmt auch schon aufgefallen, dass die einen Videos packend, informativ und animiert … äh … animierend sind und man andere innert weniger Sekunden weggeklickt hat, wenn man nicht schon vorher eingeschlafen ist.
In diesem Blogbeitrag soll es jetzt aber nicht – oder nur am Rande – darum gehen, was einen guten, packenden, spannenden Erklärfilm ausmacht. Ich möchte mehr darauf eingehen, was bei der praktischen Umsetzung, also beim Handwerk des Erstellens mit einer Animations-Software an sich, wichtig ist.
Um Beispiele konkret ausführen zu können, nehme ich jeweils Bezug auf die Umsetzung in Adobe After Effects. Wenn Sie wissen wollen, wie die entsprechenden Regeln in Adobe Animate, Adobe Character Animator oder Google WebDesigner umzusetzen sind, nutzen Sie die Kommentarfunktion unter dem Blog ruhig als Frage-Briefkasten.
Die 5 Regeln im Überblick
- Storyboards haben Schlüsselfunktion
- Prototypen nutzen, Feedback einholen
- Content first
- Pausen sind Freunde
- Detailtreue wird oft überbewertet
Regel 1: Storyboards haben Schlüsselfunktion
Sollten Sie nicht wissen, was ein Storyboard ist, dann googlen Sie es bitte kurz. Das Storyboard ist nämlich wohl das Essentiellste, wenn es um Videos und Animationen geht.
Zum Beispiel steht im Drehbuch für den Film «Herr der Ringe» folgender Satz: «Sie rennen die Treppen herunter». Damit aus diesem einen Satz mehrere Minuten Film entstehen konnten, wurden dutzende von Storyboard-Bildern gezeichnet. Woher sollten sonst die Schauspieler wissen, WIE und WOHIN sie rennen sollten.
Ganz konkret:
- Erstellen Sie zuerst ein Storyboard – wenn Sie möchten von Hand auf Servietten mit Strichmännchen.
- Importieren Sie die einzelnen Storyboard-Bilder als Footage in Ihr After Effects Projekt.
- Erstellen Sie eine Komposition, in welcher die Bilder in der richtigen Reihenfolge nacheinander in einzelnen Keyframes angezeigt werden – etwa so wie in einer PowerPoint-Präsentation.
Start with BasicsWenn Ihnen jetzt schon der Kopf vor lauter Begriffen wie Footage, Komposition und Keyframes brummt, besuchen Sie unseren Kurs «Adobe After Effects – Basic». Hier erlernen Sie alle Grundlagen für professionelle visuelle Effekte und Animationen für Video und Web. |
Wenn Ihnen jetzt schon der Kopf vor lauter Begriffen wie Footage, Komposition und Keyframes brummt, besuchen Sie unseren Kurs «Adobe After Effects – Basic». Hier erlernen Sie alle Grundlagen für professionelle visuelle Effekte und Animationen für Video und Web.
Regel 2: Prototypen nutzen, Feedback einholen
Das in After Effects animierte bzw. aneinandergereihte Storyboard ist unser erster Prototyp. Nutzen Sie diesen, um möglichst früh Feedback einzuholen. Dazu brauchen Sie noch keinen professionellen Sprecher zu engagieren. Setzen Sie sich neben jemanden und zeigen Sie ihm den Storyboard-Film, während Sie ihm erklären, was er da sieht.
Ich mache das immer mit meiner Frau – sie zeigt mir dafür lustige Videos von kleinen Babys, die mit dem Gesicht ins Abendessen fallen.
Ganz konkret:
- Verschieben Sie die Keyframes im Storyboard-Film so, dass die Zeiten halbwegs Sinn machen, wobei Sie beim Vorzeigen ja auch jederzeit pausieren können.
- Exportieren Sie mit Hilfe des Adobe Media Encoders den Film
- Zeigen Sie das Ergebnis möglichst vielen und möglichst unbedarften Leuten
- Denken Sie daran: für Feedback rechtfertigt sich man nicht, man bedankt sich.
Regel 3: Content first
Diese Regel ist so herrlich trippel-deutig.
Einerseits sagt sie, dass der Inhalt eines Erklärfilms wichtiger ist, als das Visuelle drumherum. Die Bilder, Farben, Formen und Bewegungen dienen dem besseren Verständnis des Inhalts – und nicht zur Selbstbeweihräucherung von Grafik-Designern. Deshalb reicht es grundsätzlich völlig aus, wenn ein Storyboard (siehe Regel 1) aus Strichmännchen-Zeichnungen besteht.
Zweitens sagt sie klar: Fange keinen Erklärfilm zu erstellen an, bevor du den Inhalt nicht zu 200% fertig hast. Denn was gibt es Schöneres, als wenn im Nachhinein noch etwas eingeschoben werden muss. (Ironie aus!)
Drittens regt sie zum Nachdenken an: Was ist eigentlich der Content eines Erklärvideos? Der gesprochene Text? Oder ist der gesprochene Text bereits die Umsetzung der zu vermittelnden (hoffentlich wesentlichen) Inhalte?
Heute weiss man, dass Erklärfilme relativ oft nur (wie ein Podcast) gehört und gar nicht geschaut werden, was den Inhalt noch viel wichtiger macht.
Ganz konkret:
- Importieren Sie die gesprochene Tonspur ins Projekt, bevor Sie zu animieren beginnen. Sie gibt die Länge / Dauer der Animationen vor – nicht umgekehrt!
- Wenn Sie mit Storyboard-Bildern arbeiten, können Sie die entsprechenden Keyframes gemäss dem gesprochenen Text über die Zeit verteilen.
- Schon haben Sie einen nächsten Prototyp, den Sie testen können.
Regel 4: Pausen sind Freunde
Dies gilt sowohl für den Sprecher, wie auch für den Animator.
Da man in Adobe After Effects die Audio-Spur jederzeit zerteilen kann, um Pausen zu generieren, braucht man diese Regel nicht unbedingt beim Einsprechen der Tonspur bereits zu beachten.
Sie ist mehr dafür gedacht, darauf hinzuweisen, in Animationen bewusst auch mal ganz ruhige (oder gar un-animierte) Sequenzen einzuplanen. Es muss sich nicht immer alles bewegen. Dann kann sich der Zuschauer auch besser auf den gehörten Text konzentrieren.
Ganz konkret:
- Fügen Sie bewusst Animationspausen ein, in welchen sich nichts oder nur sehr wenig bewegt bzw. Bewegungen sich wiederholen. Das spart massiv Aufwand und ist auch für den Zuschauer angenehmer als ein permanenter visueller Overkill.
- Setzen Sie sich wiederholende Bewegungs- bzw. Animationsabläufe als verschachtelte Komposition um! Sie können dann herrlich als Pausenfüller aneinandergereiht werden.
- Nutzen Sie zum ermitteln der idealen Pausenlänge unterschiedliche Prototypen
Tipp für Adobe-Animate-Nutzer: Die verschachtelten Kompositionen in Adobe After Effects entsprechen der Idee von Movieclips bzw. Grafiken in Adobe Animate. Aber das wissen Sie aus dem Kurs Adobe Animate CC – Basic («ADOANI») bereits, oder? 😉
Regel 5: Detailtreue wird oft überbewertet
Wo sich meiner Erfahrung nach Animatoren (nein, nicht jene im All-Inclusive-Hotel auf Mallorca) am häufigsten verzetteln ist die Detailtreue. Viele kommen aus der grafischen Branche und legen eben Wert auf das sprichwörtliche Detail.
Bauen Sie die Elemente, welche Sie (später) animieren wollen vom Groben zum Detail und lassen Sie 5 auch mal grade sein. Für die meisten Betrachter reicht es total aus, wenn sich nicht jedes einzelne Barthaar des Strichmännchens im Wind bewegt. 😉
Natürlich: Wenn noch Zeit und Budget übrig ist => halten Sie sich nicht zurück!
Ganz konkret:
- Erstellen Sie für jeden Darsteller bzw. jedes Objekt in Ihrem Erklärvideo eine eigene Komposition mit einer einfachen Repräsentation des Objekts / Darstellers.
- Erstellen Sie erst die groben Animationen wie «fliegt von unten herein» und erst dann das «Flattern der Haare im Wind».
- Analysieren Sie Ihre Ideen auf die Möglichkeit mit Wiederholungen (die Sie als Unter-Kompositionen umsetzen), bevor Sie mit der Umsetzung beginnen.
- Arbeiten Sie auch pro Detaillierungsgrad mit Prototypen. Sie werden feststellen, dass das Zielpublikum den Video schon ausreichend cool findet, auch wenn Sie selbst vielleicht noch unzufrieden sind.
Zu viel? Zu theoretisch?
Super! Buchen Sie den Kurs «Anspruchsvolle Erklärfilme mit After Effects («AFTS»)» und ich zeige Ihnen alles live und in Farbe in einem unserer Digicomp-Kurszentren oder online bei Ihnen im Home-Office.
Bis bald!