Künstliche Intelligenz – Von der Forschung in die Industrie am Beispiel von 3 konkreten Use Cases

Wie kann man mit Hilfe von künstlicher Intelligenz praktikable Anwendungen für die Industrie bauen? Adrian Locher, Gründer des Startups Merantix zeigt in diesem Beitrag drei konkrete Anwendungsbeispiele.

Autor/in Adrian Locher
Datum 21.10.2019
Lesezeit 8 Minuten

Dampfmaschine, Elektrizität, Computer, Internet, Artificial Intelligence. Im Laufe der Geschichte etablierten sich stets gewisse Erfindungen und Technologien als sogenannte General Purpose Technologies (Allzwecktechnologien). Während diese Technologien verschiedenste Formen annehmen können, haben sie alle gemeinsam, dass sie durch ihren drastischen Einfluss auf bestehende soziale und wirtschaftliche Strukturen die Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig veränderten.

Aktuell befinden wir uns mit der zunehmenden Relevanz von Artificial Intelligence (AI) in genau solch einem Wandel. Während viele Artikel die Funktionalität, das Potenzial und den Einfluss von AI allgemein untersuchen, beleuchten verhältnismässig wenige Artikel wirklich konkrete Anwendungsmöglichkeiten von AI.

Ziel dieses Blogeintrags ist es deshalb, jeweils kurz einen konkreten Use Case von AI in drei unterschiedlichen Industrien anhand von realen Beispielen zu erläutern sowie abschliessend einen allgemeinen Ansatz zu beschreiben, mithilfe dessen AI-Projekte erfolgreich von bestehenden Unternehmen umgesetzt werden können. Die verwendeten Beispiele basieren dabei auf realen Projekten von Merantix, einem AI Venture Studio in Berlin, das sowohl AI-gestützte Softwareprojekte für andere Unternehmen entwickelt und implementiert als auch eigene AI-Unternehmen entwickelt und skaliert.

Vertrieb: Sales Conversion Estimation

Kontext

Ein Produktionsunternehmen beauftragte uns mit der Entwicklung eines Algorithmus zur Lead-Priorisierung. Ziel war es, die Vertriebsmitarbeiter bei der Entscheidung, auf welche Leads sie sich konzentrieren und wo sie ein Angebot abgeben sollen, zu unterstützen und den manuellen Arbeitsaufwand signifikant zu reduzieren.

Herausforderung

Anhand historischer Daten aus über 30 Jahren mussten relevante Faktoren, welche das Verkaufsergebnis signifikant beeinflussen, identifiziert werden. Zudem musste die Prognose der Abschlusswahrscheinlichkeit im Sinne eines abgeschlossenen Verkaufs eine sehr hohe Genauigkeit aufweisen.

Lösung

Die geeignetste Lösung war ein Machine-Learning Ansatz, welcher die Daten aus dem verwendeten CRM-System berücksichtigt, um basierend darauf den bisher manuellen Workflow der Priorisierung zu automatisieren. Der zur Verfügung stehende Datensatz bestand aus ca. 500.000 versendeten Angeboten pro Jahr und belief sich somit insgesamt auf knapp 15 Millionen Angebote. Es gelang eine vollständige Automatisierung des Priorisierungs-Workflows, wodurch sich die Mitarbeitenden auf die eigentlichen Verkaufsaktivitäten konzentrieren können.

Quality Control/Logistik: Optische Qualitätskontrolle

Kontext

Die Qualitätskontrolle der eingekauften und versandten Produkte ist ein zentraler Aspekt für das Lagermanagement und vor allem auch die Kundenzufriedenheit eines grossen E-Commerce Unternehmens. Zurzeit müssen Mitarbeitende müssen jedes Produkt einzeln und manuell inspizieren und den Zustand der Ware manuell in das System eintragen, was eine zeitintensive und repetitive Aufgabe darstellt. Dieser Prozess soll deshalb automatisiert werden, unter anderem indem ein Algorithmus anhand von Fotos der Produkte etwaige Mängel erkennt und klassifiziert.

Herausforderung

Da die Produktpalette sehr breit gefächert ist und auch die einzelnen Produkte innerhalb einer Produktgruppe teils starke Nuancen aufweisen, muss der verwendete Algorithmus umfangreich trainiert werden.

Lösung

Aufgrund der breiten Produktpalette und des hohen nötigen Trainingsaufwands sowie des damit verbundenen Kosten- und Zeitaufwands, wurde entschieden, sich im Rahmen eines Pilotprojektes zunächst auf eine Produktgruppe zu konzentrieren. Als Input diente ein Datensatz von 6000 Bildern einer Produktgruppe. Die erfolgreichste und effektivste Lösung bei der eigentlichen optischen Analyse war eine Klassifizierung jedes einzelnen Bildes anhand welcher der Produktzustand insgesamt bewertet werden konnte. Im Rahmen des Pilotprojektes gelang es dadurch, den Zeitaufwand pro Produkt um knapp 70% zu verringern und auch das benötigte Personal erheblich zu reduzieren.

Gesundheitswesen: Mammographie

Künstliche Intelligenz

Kontext

Die Mammographie-Diagnostik im Rahmen von Brustkrebs-Screening ist eine äußerst repetitive Tätigkeit in der medizinischen Bildverarbeitung mit einem hohen Volumen. Mehrere Radiologen müssen jedes einzelne Bild manuell bewerten, was nicht nur sehr kostspielig ist, sondern insbesondere angesichts des zunehmenden Zeitdrucks eine anstrengende und fehleranfällige Aufgabe darstellt. Da bis zu 97% der Studien keine medizinische Nachuntersuchung erfordern, melden Radiologen häufig False Positives oder übersehen tatsächlich vorhandene Anzeichen von Brustkrebs (False Negatives).

Herausforderung

Sogenannte Decision Support Systeme, welche durch Markierungen in den Röntgenbildern die Beurteilung erleichtern sollen, erweisen sich als wertlos, denn ungenaues Labeling durch hohe Empfindlichkeit und menschlichen Bias machen den Workflow noch ineffizienter. Gleichzeitig ist die Schaffung eines Systems, welches Diagnose und Reporting tatsächlich automatisiert, nicht nur eine technische sondern auch eine regulatorische Herausforderung. Als Input dienten tausende unannotierte mammographische Untersuchungen von medizinischen Partnern.

Lösung

Wir haben ein CE-zertifiziertes «Smart Elimination»- und Berichtssystem entwickelt, welches eine erhebliche Arbeitserleichterung bei gleichzeitig höchster Konfidenz ermöglicht, indem es einen signifikanten Teil der unkritischen Fälle ausschließt und meldet. Das finale Produkt wurde auf einem Brustkrebs-Datensatz mit mehr als zwei Millionen Bildern trainiert und eliminiert automatisch 40% des Arbeitsaufwandes der Radiologen. Zudem wurden ein ausgefeiltes Annotations-Tool, eine Datenpipeline und ein aktiver Lernalgorithmus aufgesetzt. Dadurch kann sich der Radiologe vollständig auf komplexe Fälle konzentrieren und die Patientensicherheit wird erhöht. Sechs grosse deutsche Radiologiezentren verwenden bereits erfolgreich das von uns entwickelte System und vier weitere Integrationen mit Teleradiologie-Anbietern in fünf verschiedenen Ländern sind bereits bestätigt. Das bedeutet, dass das entwickelte Modell eine beträchtliche Skalierbarkeit aufweist und demnächst vier Millionen Auslesungen erreichen wird.

Erfolgreiche Umsetzung von AI-Projekten – Ausgangspunkt sind nicht die Daten, sondern der Use Case

Eine weit verbreitete generelle Fehlannahme in Bezug auf die Nutzung und Implementierung von AI ist es, mit den vorhanden Daten zu beginnen. Obwohl Daten selbstverständlich ein elementarer Bestandteil von AI-basierten Anwendungen sind, geht es zunächst vielmehr darum, einen relevanten Use Case zu identifizieren. Wir empfehlen deshalb unseren Kunden mit der Identifizierung von verschiedenen Use Cases zu starten, welche einen wirtschaftlichen Mehrwert für das Unternehmen generieren. In einem zweiten Schritt sollte dann eine Priorisierung der identifizierten Use Cases anhand der Kriterien wirtschaftlicher Mehrwert und Umsetzbarkeit erfolgen. Anschliessend gilt es, eine gewisse Bereitschaft zum Experimentieren zu zeigen und gleichzeitig darauf zu achten, dass das Projekt-Setup so gewählt ist, technische Machbarkeit rasch festzustellen und damit finanzielles Risiko zu.

Künstliche Intelligenz

Anhand der oben beschriebenen Beispiele wird deutlich, wie vielseitig und wertstiftend AI einsetzbar ist. Obwohl jede Industrie und jedes Projekt zweifelsohne seine eigenen Herausforderungen und individuellen Anforderungen mit sich bringt, zeigt sich, dass der Ansatz und Prozess in der Regel stets sehr ähnlich ist. Merantix hat deshalb die Entwicklung und Implementierung massgeschneiderter AI-Lösungen institutionalisiert und arbeitet mit einem bewährten Prozessansatz, um Unternehmen branchen- und grössenunabhängig professionell zum Erfolg zu führen.

 

KI – von der Forschung in die Industrie – Vortrag von Adrian Locher am 5.11.19

Erleben Sie Adrian Locher live bei Digicomp im Rahmen der «Internetbriefing»-Veranstaltung:
05.11.2019
18:00 – 20:00
Limmatstrasse 50, 8005 Zürich, Digicomp AG

Wie kann man mit Hilfe von künstlicher Intelligenz praktikable Anwendungen für die Industrie bauen? Adrian Locher, Gründer von DeinDeal und heute Serien-Unternehmer, zeigt anhand seines neuesten Startups Merantix die Erfolgsrezepte auf.

Erleben Sie Adrian Locher live bei Digicomp im Rahmen der «Internetbriefing»-Veranstaltung:
05.11.2019
18:00 – 20:00
Limmatstrasse 50, 8005 Zürich, Digicomp AG

Wie kann man mit Hilfe von künstlicher Intelligenz praktikable Anwendungen für die Industrie bauen? Adrian Locher, Gründer von DeinDeal und heute Serien-Unternehmer, zeigt anhand seines neuesten Startups Merantix die Erfolgsrezepte auf.


Autor/in

Adrian Locher

Adrian Locher ist Unternehmer und Investor. Er hat 10 Unternehmen in Europa und den USA mitgegründet und aufgebaut und sein letztes Unternehmen DeinDeal bei einem Umsatz von über CHF 100M und 150 Mitarbeitenden 2015 an Ringier verkauft. Als Angel Investor investierte Adrian unter anderem in einen Investmentfonds im Bereich erneuerbare Energien, welcher mittlerweile über CHF 1 Mrd. an Geldern verwaltet, ein SaaS-Unternehmen mit über CHF 200M Umsatz sowie ein Buchhaltungs-Startup, welches mittlerweile 25M EUR Kapital von Investoren wie Battery Ventures aufgenommen hat. Im Jahr 2007 leitete Adrian die erste Wachstumsinitiative von Facebook in Deutschland und berichtete direkt an Mark Zuckerberg.