Führungsstil Menschlichkeit: Was es bedeutet, in unsicheren Zeiten menschenorientiert zu führen
Menschliche Führung rückt den Menschen ins Zentrum und nicht das Arbeitsergebnis. Warum das ökonomisch für beide Seiten ein Gewinn ist, erläutert digicomp-Trainer Christopher Schneider.
Leistungsorientierung, Innovationsdruck, Effizienzsteigerung: In nahezu jedem Unternehmen gehören diese Begriffe zum Standardvokabular. Als Führungskraft hast du implizit (auch) den Auftrag, deine Mitarbeitenden auf diese Perspektiven auszurichten und Verhalten dahingehend zu steuern.
Doch aus der Perspektive deiner Mitarbeitenden fehlt dann häufig ein zentraler Wert: Menschlichkeit. Auch im Zeitalter der Digitalisierung ist der Mensch (immer noch) keine Maschine. Menschen reagieren individuell und unberechenbar auf erhöhten Druck, allgemeine Unsicherheit und Veränderungen jeglicher Art.
Nicht Gewinnmaximierung oder Effizienzdenken ist der Schlüssel für erfolgreiches Unternehmertum, sondern menschenorientierte Führung.
Gewisse Leistungserwartungen seitens der Führungskraft führen bei deinen Mitarbeitenden nicht automatisch zu verbesserten Ergebnissen. Wenn du Leistungssteigerungen erwartest, solltest du Menschen wertschätzend führen und dabei humanitären Werten folgen. Menschen zeigen eine viel grössere Motivation, wenn sie ehrlich geschätzt werden. Wenn deine Mitarbeitenden ihrem Potenzial entsprechend gefordert und gefördert werden und sich nicht verbiegen müssen, dann sind sie am ehesten zu überdurchschnittlichen Leistungen bereit. Wenn Arbeit Spass macht und deine Mitarbeitenden sich respektiert und geschätzt fühlen, ist herausragende Leistung häufig ein «Abfallprodukt».
Die folgenden fünf Verhaltensweisen können dir als Ansatzpunkte für einen stärker menschenorientierten Führungsstil dienen:
1. Kenne deine Mitarbeitenden
Versuche, deine Mitarbeitenden einzeln wie im Team als Individuen kennenzulernen und nicht ausschliesslich als Rolleninhabende in einer Funktion. Eruiere Erwartungen und persönliche Ziele. Gib gleichzeitig auch von dir Dinge preis, welche du bislang lieber verschwiegen hast. Dies schafft Vertrauen und verringert die wahrgenommene Hierarchie. Pflege einen vertrauens- und respektvollen Austausch, nicht nur formell in der wöchentlichen Teamsitzung oder informell am Kaffeeautomaten. Ein sommerliches Grillfest in deinem Garten oder ein gemeinsamer Konzertbesuch nach Feierabend kann Wunder wirken.
2. Werde den individuellen Bedürfnissen gerecht
Wenn du deine Mitarbeitenden kennst, dann kennst du auch ihre Bedürfnisse und kannst verstehen, wo deren Potenziale schlummern. Diese lassen sich nun besser für die zu erreichenden Ziele abrufen. Und das ist ganz im Sinne der betreffenden Mitarbeitenden, denn am liebsten erzielen Menschen eine positive Wirkung mit ihrem eigenen Vermögen. Das wirkt motivierend und führt automatisch zu Erfolgserlebnissen. Nebenbei steigt die Arbeitsmoral, Mitarbeitende bleiben eher gesund, Krankheitstage und schlechte Stimmung können so verringert werden. Das schlägt sich auch finanziell nieder.
3. Zeige echte Wertschätzung
Anerkennung und Wertschätzung sind eine Frage der Haltung. Sie werden schnell als unecht enttarnt, wenn du als Führungskraft ein gekünsteltes «Das hast du toll gemacht» kommunizierst. Vertrauen und Offenheit werden durch unaufrichtiges Lob torpediert. Auch kann Wertschätzung nicht verordnet werden. Vielmehr bedeutet echte Wertschätzung, den Mitarbeitenden zu signalisieren, dass sie als Mensch wichtig sind und akzeptiert werden, wie sie sind. Es ist damit keine defizitorientierte, sondern vielmehr eine positivistische, ressourcenorientierte Haltung. Sie spricht die Entfaltung von Potenzial an. Und damit hat echte Wertschätzung auch immer individuell zu passieren, je nach Charakter, Kontext und Bedürfnissen eines Menschen.
4. Hinterfrage dein eigenes (Führungs-)Verhalten
Sei kritisch mit dir selbst und frage dich, wie du selbst geführt werden möchtest. Welche Aspekte dieser inneren Auseinandersetzung passen auf einzelne Teammitglieder? Wo stosst du selbst an Grenzen in der Führung und tust mit deinem Verhalten einigen Mitarbeitenden vielleicht nicht gut? Und welche Werte und Überzeugungen leiten dich? Frage dich, welche davon einer Überprüfung bedürfen und welche Überzeugungen deine Mitarbeitenden leiten – und passe dann dein Führungsverhalten punktuell an.
5. Scheitere besser
Pflege eine konstruktive Fehlerkultur, welche Fehler zulässt und aus Misserfolg konsequent lernt. Kein Mensch macht gerne Fehler, und wenn er Angst haben muss, für solche bestraft zu werden, wird er nicht befreit arbeiten können. Das Risiko für Fehler steigt an, es beginnt eine Negativspirale. Im Wort «Fehler» steckt «fehlen». Bei Fehlern handelt es sich also um Situationen, in denen noch etwas benötigt wird, um erfolgreich zu sein. Es liegt eine Unvollständigkeit vor. Würdige also lieber das, was bereits gut ist und schon existiert und erarbeite gemeinsam Wege, um aus dem Umweg über einen Fehler auf die Erfolgsstrasse zu kommen. Dies stimuliert den kollektiven Lernprozess und entzaubert das Scheitern als etwas Brauchbares. Gerade in innovativen Branchen und bei komplexen Fragestellungen gilt, dass der Misserfolg den besten Weg zum Erfolg darstellt. Gib deinen Mitarbeitenden Zeit und Raum für Experimente und lass sie Fehler machen.
Menschliche Führung rückt den Menschen ins Zentrum
Das Denken in schneller, höher und weiter ist gefährlich, wenn es aus reiner Optimierungslogik geschieht. Denn Menschen sind mitnichten optimierbar wie eine Maschine oder ein Prozess. Sie sind keine Ressourcen, sondern Individuen. Führe empathisch und versuche, jedes Teammitglied da anzupacken, wo es Interesse zeigt, Potenzial besitzt, von sich aus Entwicklung wünscht und Motivation ganz automatisch entsteht. Mit Vertrauen und Empathie lässt sich der Schatz an bislang unbekannten Stärken und Wirkungsfähigkeiten heben. Menschliche Führung rückt den Menschen ins Zentrum und nicht das Arbeitsergebnis. Jeder, der schon mal den Satz «Deine Performance muss besser werden» gehört hat, weiss, wie demütigend sich so etwas anfühlen kann. Und wer glaubt schon wirklich, dass echte Innovationen und Verbesserungen mittels durchschnittlicher Arbeitsleistung oder wenig motivierter Mitarbeitender entstehen, welche ihre Stärken nicht einsetzen dürfen sowie weder Respekt noch Wertschätzung erfahren?
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