Der Chef als Coach: Chancen und Risiken für Führungskraft und Mitarbeitende
Christopher Schneider untersucht in diesem Artikel die Chancen und Risiken, die ein Coaching durch Vorgesetzte bergen kann.
Nie zuvor waren Dynamik und Veränderungsdruck für Unternehmen so gross wie heute, und Wandel von aussen impliziert immer auch Erneuerungsdruck für die Organisationen selbst.
Dies betrifft nicht nur Aufbau- und Ablaufstrukturen, sondern auch die sozialen Beziehungen innerhalb der Organisation. Führung ist damit direkt betroffen. Neben der Kommunikation, dem vernetzten Denken sowie dem Aufbau und Erhalt von Vertrauen, gewinnt auch das Coaching von Mitarbeitenden durch Führungskräfte immer mehr an Bedeutung.
Coaching durch Vorgesetzte kann als Aspekt der Personalentwicklung stattfinden:
Die Mitarbeitenden fördern, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen, den Einsatz seiner individuellen Ressourcen unterstützen, seine Motivation steigern oder die gegenseitige Kommunikation verbessern.
Chancen für die Führungskraft
Coaching kann als Führungsinstrument im Zusammenhang mit einem kooperativen Führungsstil hilfreich sein. Die Führungskraft kennt die internen Abläufe und kann sich schnell auf das eigentliche Thema des Mitarbeitenden als Coachee konzentrieren. Damit kann Coaching durch den Vorgesetzten als Erweiterung des Führungsrepertoires betrachtet werden. Es bedingt jedoch die Hinterfragung eigener Werte und Überzeugungen sowie die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Wenn das gelingt, profitiert die Führungskraft von dieser Fähigkeit auch in anderen Situationen.
Weitere Vorteile für die coachende Führungskraft können sein:
- Festigung des Vertrauensverhältnisses zum Mitarbeitenden
- Möglichkeit einer besseren Evaluierung der Zielerreichung, da eine bessere Beobachtung des Entwicklungsprozesses möglich ist
- Förderung der Reflexionsfähigkeit auch auf Seiten des Vorgesetzten.
Chancen für den Mitarbeitenden
Mitarbeitende profitieren als Coachee durch Individualität der Betreuung sowie die Beziehungsintensität, wenn der Vorgesetzte sie coacht. Dies kann zu gesteigerter Motivation und damit zu verbesserten Arbeitsergebnissen führen. Mitarbeitende, die ein Coaching durch den Vorgesetzten als persönliche Entwicklungschance sehen, können es auch für die Realisierung von nicht-beruflichen Zielsetzungen nutzen. Wenn das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeitendem vertrauenswürdig ist, das Coaching freiwillig stattfindet und beide sich in ihrer Rolle akzeptieren, entstehen beim Mitarbeitenden häufig Sicherheit und Motivation.
Grenzen für die Führungskraft
Coachende Vorgesetzte können Situationen mit (zu coachenden) Mitarbeitenden nur schwer trennen. Es stellt sich immer die Frage, in welchem Kontext eine Begegnung mit dem Mitarbeitenden stattfindet. Dies kann schwierige Situationen auslösen. Coachings zeichnen sich aus durch eine systemische, ganzheitliche Betrachtung. Dies bedeutet, dass der Coach auch in die Privatsphäre des Coachees eindringt. Die Thematisierung von persönlichen, privaten Informationen durch Vorgesetzte ist jedoch ethisch problematisch und kann zu moralischen Konflikten führen. Ein länger dauernder Coaching-Prozess könnte eine gewisse Unselbstständigkeit auf Seiten des Mitarbeitenden erzeugen. Der Prozess wird zum «ewigen Coaching», welcher es nicht schafft, den Coachee ins selbstständige Handeln zu bringen. Die Folge kann ein erhöhter Führungsaufwand sein, der die Idee eines Coachings hintertreiben würde. Problematisch kann auch die Tatsache sein, dass der Vorgesetzte in die Abläufe im Unternehmen direkt involviert und auch kulturell Teil der Organisation ist. Er kann somit die Situation des Coachees nur schwer neutral und sachlich beurteilen.
Vorgesetzte sind häufig Teil des Problems
Ein weiterer kritischerer Punkt ist die Tatsache, dass Führungskräfte zeitlich stark belastet sind. Wollen sie auch noch ein Coaching anbieten, müssen sie hierfür Zeitfenster schaffen. Dies ist aber entweder nicht realistisch, oder es ist nur möglich, wenn sie andere Aufgaben vernachlässigen. Häufig werden dann Mitarbeitergespräche mit Coaching-Gesprächen zusammengelegt. Damit ist ein Rollenkonflikt vorprogrammiert. Schliesslich ergibt sich für die coachende Führungskraft ein Reputationsrisiko, sollte das Coaching eines Mitarbeitenden nicht zum gewünschten Erfolg führen. Dies kann in der Konsequenz zu einer dauerhaft negativen Bewertung der Führungskraft führen.
Grenzen für den Mitarbeitenden
Primäres Risiko ist das Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich der Coachee befindet. Es besteht ein latenter Druck, ein Angebot für ein Coaching durch den Vorgesetzten anzunehmen bzw. das Coaching um jeden Preis zu Ende zu führen. Es entfällt also das Prinzip der Freiwilligkeit, das für das Gelingen eines Coachings so wichtig ist. Auch sind Vertrauen und Diskretion mit einem externen Coach einfacher zu realisieren. Der Vorgesetzte kann sich je nach Konstellation in einem Interessenkonflikt sehen. So könnten vertrauliche Informationen an andere Stellen wie z.B. die Personalabteilung gelangen. Damit wird klar, dass Mitarbeitende, die durch ihren Vorgesetzten gecoacht werden, sich eher überlegen, welche Informationen sie offenlegen, als wenn sie extern gecoacht würden. Schliesslich kann der Mitarbeitende es als problematisch empfinden, wenn unternehmensintern offenbar wird, dass er (intern) gecoacht wird. Externe Begleitung ist immer diskreter durchführbar.
Ein Coaching ist normalerweise beendet, wenn der Coachee seine Ziele erreicht hat. Wenn nun aber der Vorgesetzte coacht, besteht das Risiko, dass er organisationale oder gar persönliche Ziele mittels des Coachings umzusetzen versucht und damit den Coaching-Prozess zweckentfremdet. Das gilt genauso für die Bewertung des Coachings. Ein weiteres Risiko stellt das oft fehlende Coaching-Wissen bei der Führungskraft dar. Vorgesetzte, die sich trotz fehlender Coaching-Kompetenz als Coaches im engeren Sinne betätigen, agieren unprofessionell.
Fazit
«Coaching durch die Führungskraft ist grundsätzlich möglich, kann aber keinen Ersatz für klassisches Coaching darstellen» (Frey 2016). Coaching und Führung als Konzepte sind nicht deckungsgleich. Sie lassen sich verbinden, aber niemals austauschen. Ob der Vorgesetzte einen Mitarbeitenden coachen sollte, ist eine schwierige Entscheidung und kann nur durch Coach und Coachee gemeinsam entschieden werden. Vorgesetzte müssen sich der Chancen und Risiken bewusst werden, und die Entscheidung, einen Mitarbeitenden zu coachen, verlangt Führungskräften viel ab in Bezug auf Selbststeuerung und Augenmass. Wer seine Mitarbeitenden persönlich und beruflich weiterbringen möchte, lässt dem externen Coach manchmal besser den Vorzug.
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