Marketing der letzten 40 Jahre - von Push zu Purpose
40 Jahre Digital Marketing – Digicomp Experte Oliver Müller kramt für uns in seinem Werbespot-Archiv.
1978 – das Geburtsjahr der Digicomp. Ich wurde gefragt, wie damals Werbung lief. Hmm… was antwortet einer mit Jahrgang 1973? Dieser Blogpost kramt in meinen kindlichen TV-Erinnerungen und endet mit den Top3-Advertising Tipps für 2018.
Die Produktejahre
In den frühen Werbejahren stand das Produkt im Zentrum. Wichtig waren Features. Einfache Kommunikation reichte, die Auswahl und Optionenvielfalt war beschränkt.
Late Sixties
Kennen Sie Palmolive? Spülmittel-Werbung aus über 40 Jahren. Die erste Werbung, die ich gefunden habe, stammt aus dem Jahr 1968.
Bereits damals war Storytelling gefragt: Die Hände sind bedroht durch Risse vom Spülen, Palmolive rettet die Dame mit seiner Pflege und Milde. Die TV-Konkurrenz war überschaubar, eine einfache Botschaft reichte aus.
Die späten 70er – Fortschrittsjahre
Springen wir ans Ende der 70er:
Dieselbe Geschichte: «Sie badet grad Ihri Händ drin». Aber man merkt: Der Druck nimmt zu. Die Reaktion: Mehr Features, mehr Nutzen, mehr Vorteile: «Palmolive kann mehr: Pflegt und spült mehr als andere.»
Haben Sie die Ausgangssituation bemerkt: Die Frau ist gehetzt, kommt zu spät, obwohl sie gerannt ist. Erste Anzeichen der Super-Frau als Mutter, Ehefrau, Karriere-Crack?
Die 80er – Emanzipation
Was passiert mit der Werbung 1981?
Rückbesinnung auf die Pflege, das Argument des Mehr-Spülens fällt weg. Dafür kommt Wissenschaft hinzu: «Tests mit Hautärzten beweisen…» Und die Rolle der Frau: Ist sie fremd gegangen? Ja, aber am Ende wird klar: Fremdgehen lohnt sich nicht.
Fokus auf den Nutzer
Gegen Ende des 20 Jahrhunderts verliert das Produkt an Bedeutung. Marken versuchten sich über Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer zu differenzieren.
Die 90er – Ausbruch
Zehn Jahre später badet zwar die Frau immer noch ihre Hände bei Tilly im Palmolive – aber Spülen ist nicht mehr der Wunschtraum der 90er-Frau. Sie ist attraktiv, hat Träume, liebäugelt mit einem jungem Lover – traut sich aber noch nicht.
Ab 1992 verschwindet Tilly. Enorm: Eine Marke konnte es sich 25 Jahre lang erlauben, dieselben Botschaften mit sogar denselben Personen zu senden. Die Reichweite war dermassen auf TV beschränkt, dass sich nur reiche und starke Unternehmen TV leisten konnte.
Ein neues Thema musste also her: Aschenputtel-Romantik. Der Ausbruch aus der harten Realität wird mit zarten Händen von Palmolive möglich. Das Produkt verschwindet mehr und mehr und macht der Story, den Wünschen und den Protagonisten Platz.
1994 sieht die Palmolive-Werbung so aus:
Neue Zielgruppen – der Mann als Putzkraft
Konkurrent Meister Proper umwirbt 1999 hingegen den Mann:
Unser Held übernimmt ja eigentlich nur ausnahmsweise den Putzdienst, so richtig angekommen in der Hausmannsrolle ist die Werbung auch um die Jahrtausendwende noch nicht.
Muss sie auch nicht. Hier die 2017er Meister-Proper-Version des Putzmannes:
Entertainment – die 00er Jahre
1997 ist MTV an den Start gegangen und hat die Ästhetik der TV-Spots massgeblich geprägt. Werbung wird schnell und kurzgeschnitten:
Die Spannung wird aufgebaut, die Auflösung und die Pointe kommen zum Schluss.
So langsam schreiten wir auf die Internet-Werbezeit zu. Google publiziert im Jahr 2000 sein erstes Adword – mittlerweile ist ein 60 Milliarden-Business daraus erwachsen. Facebook kommt 2004 dazu und macht im Jahr 2017 einen Umsatz von 40 Milliarden. Dies entspricht 85 % des Online-Werbebudgets.
2005 ist ein weiteres Meilenstein-Jahr in der Bewegtbild-Werbung: Youtube wird gegründet. Das heute am meisten genutzte Medium verändert Dauer, Formate, Zugang zu Konsumenten und Reichweiten grundlegend. Mit der Integration in Adwords kann jeder Werbetreibende seinen eigenen Clip auf Youtube hochladen und seine Kampagne starten. Da die Werbung in sechs Sekunden übersprungen werden kann, beginnen die Spots nun direkt mit der relevanten Botschaft und springen direkt ins Geschehen.
Effective Ads in 5 Seconds:
100 Milliarden wurden also von 2000 bis 2017 dem TV-Werbemarkt entzogen. In den 2017er Internet-Trends prognostiziert Kleiner Perkins auf Anfang 2018, dass die Ausgaben für Internet-Werbung TV überholen:
2010 bis heute – Alles zusammen & mit Purpose
Heute ist alles erlaubt und überall abspielbar – Video bewegt die Massen durch und durch. Facebook und auch LinkedIn sind mittlerweile Clip-Plattformen, die Visibility-Algorithmen bevorzugen Bewegtbild und halten den User mit immer weiteren Empfehlungen bei der Stange.
Werbung im Internet-Zeitalter mit Musikclip-Elementen 2015
Die Werbemuster sind generisch: Auffallen, kurzweilig, schnell, unterhaltsam. Früher war es sehr einfach: Produkt ins TV-Bild, Umsatz erhöht. Heute funktionieren Tutorials besser, die als getarnte Empfehlungen daherkommen. Wir leben im Zeitalter der Influencer, wobei jeder User auf Social Media mit seinem Verhalten Wellen schlägt, einfach grössere oder kleinere (Ripple-Effect).
Cilit Bang als Musik-Clip
Im Marketing zählt heute jede Stimme, jedes Like, die Zeit der grosse Kampagnen ist eher vorbei, wobei ein Super-Bowl-Ad immer noch eine enorme Wirkung erzielt. Multioptionsgesellschaft gilt auch für Marketing – überall dabei sein, Reichweite erhöhen, fast nichts fällt aus dem Marketing-Mix, aber jeden Tag kommen neue Chancen hinzu.
Viele Brands besinnen sich auf ihre Nutzen in der Welt und auf Ihre soziale Verantwortung. Die jungen Generationen lassen sich von Werbedruck weniger beeinflussen, weshalb Authentizität und Purpose, also sinnhafter Beitrag, wichtig werden:
Volkswagen-Werbung mit Purpose
Top-3-Trends für Digital Advertising 2018
Was lernen wir aus 40 Jahren Marketing? Produkte, Features und Push-Messages funktionieren nicht mehr. Unterhaltung, schnelle Schnitte, gute Musik und schöne Bilder gehören heute einfach dazu. Was wirklich wirkt, findet einen Weg ins Herz der Betrachter.
Eine schöne Übersicht bietet Studio Binder
- Humanize The Tech
- Brand Over Product
- Create Social Change
Sehr schön in diesem Video zusammengefasst:
Wir wollen keine Technik sehen, sondern Menschen, die mit Technik etwas Kreatives, Lustiges oder Sinnvolles anstellen. Uns interessieren auch die Botschaften der Brands nicht mehr, sondern wir wollen wissen, was Brands zu einer besseren Welt beitragen. Und wir wollen sehen, wie sich daraus Wandel ergibt, sei dies privat oder im Geschäft. Echtes, soziales Engagement, das so gemeint ist, nicht «nur» als Werbung, funktioniert bei den Betrachtern über alle Medien hinweg.