Wie Leadership in einer VUCA-Welt funktionieren kann

VUCA ist ein Begriff, der seinen Anfang im amerikanischen Militär fand, um den chaotischen Verhältnissen ein Gesicht zu geben. Wie kann man in einer solchen Welt gut funktionieren und vor allem als Führungskraft das eigene Team anspornen und leiten?

Autor/in Roger Basler
Datum 02.08.2018
Lesezeit 14 Minuten

VUCA ist ein Begriff, der seinen Anfang im amerikanischen Militär fand, um den chaotischen Verhältnissen ein Gesicht zu geben. VUCA steht für «volatility» (Volatilität), «uncertainty» (Unsicherheit), «complexity» (Komplexität, Vielfalt) und «ambiguity» (Mehrdeutigkeit, Vieldeutigkeit).

Wie kann man also in einer solchen Welt gut funktionieren und vor allem als Führungskraft das eigene Team anspornen und leiten?

Die Herausforderung im heutigen Klima basiert nicht mehr nur darauf, was faktisch auf dem Tisch liegt, sondern orientiert sich viel mehr daran, was potenziell möglich oder wahrscheinlich ist. Die Welt ist sehr viel komplizierter geworden und schwarz und weiss wurden zu einer Mischung aus verschiedenen Grautönen. Daten und Fakten sollten in Pläne und leicht überschaubaren Information umgewandelt werden, da Mechanismen und Methoden der Datenauswertung sich viel zu schnell wandeln, um noch lang relevant zu bleiben.

Volatility

Mit Volatilität ist gemeint, dass die Welt von heute sich nicht mehr langfristig planen lässt, da die Parameter ständig schwanken und neu definiert werden. Der Börsencrash und die darauf folgende Rezession seit 2008 haben gezeigt, wie schnell Märkte fallen und dann wieder steigen können. Die grossen Schwankungen der letzten 10 Jahre machen es schwierig, vorherzusehen, was in den kommenden 10 Jahren passiert. Das politische Klima ist ebenso unsicher. Mit der Wahl von Donald Trump wurde die amerikanische Aussenpolitik vollkommen umgewandelt und russische Einflüsse versuchen die Welt neu zu definieren. Märkte wie China und Süd-Ost-Asien sind auf dem aufsteigenden Ast und suchen sich in der Welt einen Platz zu schaffen, während Afrika und Südamerika weiterhin im Schatten der Vergangenheit stehen. Doch selbst dies ändert sich nun; diese Märkte haben durch den Zugang zum Internet nun die Möglichkeit, sich nach oben zu arbeiten.

Was noch vor 20 Jahren eine klare Trennung zwischen arm und reich, West und Ost, Erster und Dritter Welt war, kann heute nicht mehr klar definiert werden.

Alle diese Faktoren nehmen natürlich auch in kleinen Bereichen der Businesswelt immer grössere Auswirkungen an. Kann mit Partnern, die noch vor Jahren sichere und stabile Faktoren waren, noch langfristig gerechnet werden und können Regierungen und Fraktionen Auswirkungen vorhersehen und vor allem:

Ist der technische Wandel und dessen Folgen absehbar? Was passiert in der eigenen Branche, wenn künstliche Intelligenz oder neue technische Durchbrüche die Landschaft drastisch verändern werden?

Firmen, die zu wahren Riesen heranwachsen, tun dies innerhalb von wenigen Monaten und Jahren (man denke an Uber, dem Taxi-Service in den USA). Seit langem bestehende, grosse Konzerne werden von kleineren und innovativeren Firmen überholt und müssen entweder neue Wege finden oder den Markt verlassen (z.B. Toys R Us). Der sprichwörtliche Flügelschlag eines Schmetterlings hat heute stärkere Auswirkungen als je zuvor, da durch die weit gefächerten Möglichkeiten, die das Internet bietet, eine viel breitere Masse an Menschen die Möglichkeit hat, etwas zu bewirken und zu verändern.

Diese und ähnliche Herausforderungen kennzeichnen die Volatilität, in der sich Geschätsführer und leitende Angestellte heute bewegen und zurechtfinden müssen.

Tipps für Führungspersonen

Eine Führungskraft kann durch offene und vertrauliche Kommunikation viel von der Angst nehmen. Probleme oder schwierige Passagen können durch einen ehrlichen und starken Führungsstil gut in Angriff bekommen werden. In volatilen Zeiten sucht ein Team nach Sicherheit und sollte dies in einer selbstsicheren Führungsperson finden.

Uncertainty

Mit der Volatilität geht natürlich auch eine Unsicherheit einher, die aus dem Chaos entsteht. Wie können Entscheidungen getroffen werden, wenn nicht einmal sicher ist, welche Geschäftspartner in drei Jahren noch vorhanden sind? Wie kann ein Fünfjahresplan erstellt werden, wenn man nicht einmal vorhersehen kann, ob dann nicht Bitcoin den Dollar bereits abgelöst hat oder China neue Tarife auferlegt hat? Wie soll in so einer unsicheren Welt also navigiert werden und vor allem, wie kann man als Führungskraft dieser Unsicherheit entgegenwirken und dem eigenen Team Stabilität und Sicherheit verleihen?

Tipps für Führungspersonen

Eine gute Führungskraft zeichnete sich immer schon dadurch aus, dass das Team sich auf sie verlassen kann. Wenn unsichere Zeiten bevorstehen, sind drei Dinge besonders wichtig: Teamgeist, Ehrlichkeit und Vertrauen.

  • Teamgeist kann gefördert werden, indem man gemeinsam die Unsicherheit bespricht und Optionen und Auswege für potenzielle Probleme findet, bevor sie überhaupt entstehen. Flexible Lösungsfindung kann zum Teamsport gemacht und individuelle Stärken können angewandt werden. Ein guter Manager sollte das eigene Team kennen und dessen Stärken und Schwächen entsprechend nutzen können.
  • Ehrlichkeit ist in unsicheren Zeiten ungemein wichtig: Wenn die Möglichkeit besteht, dass ein Mitarbeiter auf lange Frist das Team verlassen könnte (auch wenn dies nur eine geringe Möglichkeit ist), sollte von Anfang an ehrlich klar gestellt werden, was die Ziele und Möglichkeiten des Teams sind.
  • Dies bildet Vertrauen und schafft eine Atmosphäre, in der dieser Unsicherheit als Team begegnet werden kann.

Complexity

Die vorhergehende Generation hatte klar definierte Bahnen: Wer als Geselle Bäcker war, ging auch als Bäcker in Pension. Wer mit 18 nach dem Schulabschluss in einer Bank anfing, feierte 45 Jahre später von derselben Bank Abschied in die Rente. Sekretärinnen waren und blieben Sekretärinnen. Postmänner blieben Postmänner.

Die Welt war einfach.

Heute jedoch ist von dieser Einfachheit wenig übrig. Der Karriereweg eines jeden Mitarbeiters ist voller Kehrtwendungen, die Flexibilität unheimlich wichtig erscheinen lassen. Wer heute stur nur den «eigenen» Job machen will und nie über den Tellerrand hinausblickt, wird in der Geschäftswelt nicht lange bestehen und auch in einem Team Probleme haben. Führungskräfte müssen solche Problemstellen schnell erkennen können und dem entgegenwirken.

Tipps für Führungspersonen

Eine Führungskraft muss frühzeitig erkennen: Wo sind in diesem Team die flexibelsten Mitarbeiter und wie kann dies gut genutzt werden? Wo im Team sind die «Tausendsassas», die alles in Angriff nehmen können? Wenn komplexe Probleme bestehen, muss eine Führungskraft sich darauf konzentrieren, die Welt wieder einfach aussehen zu lassen. Arbeitsteilung und Aufteilung der Probleme in einen Plan, der Schritt für Schritt in Angriff genommen werden kann, sind hier hilfreich. Ebenso wichtig sind eine kurzfristigere und flexible Zielsetzung.

Ambiguity

Ist schwarz wirklich schwarz und weiss wirklich weiss? Eine Zusage eines Geschäftspartners muss nicht unbedingt heissen, dass es auch wirklich ein Verkauf war. In der heutigen globalen Welt treffen verschiedenste Kulturen aufeinander, was es oft schwierig machen kann, klar zu verstehen, woran man ist.

Ebenso können Erwartungen, die an Führungskräfte gestellt werden, mehrdeutig sein: Einerseits ist es vielleicht Firmenpolitik, niemals Überstunden zu machen, aber ein Projekt erfordert, dass alle Teammitglieder über das Wochenende arbeiten. Wie geht man mit solch einer Dissonanz um?

Tipps für Führungspersonen

Für Führungskräfte heisst es auch hier: Klarheit schaffen, wo dies möglich ist, und ehrliche Kommunikation ausüben, wo die Vieldeutigkeit eines Problems nicht einfach gelöst werden kann. Kommunikation und Offenheit sind für Führungskräfte wichtig, da nur durch Gespräche Missverständnisse vermieden werden können. Wenn eine Situation entsteht, in der mehrere Pfade eingeschlagen werden können, kann durch offene Diskussionen ermittelt werden, welcher Weg für das Team der Beste ist.

Wie überleben Teams in der VUCA-Welt?

Wie kann also ein Team, eine Firma oder eine Person in der VUCA Welt gut überleben? Wie kann eine Führungskraft das eigene Team gut durch diese stürmischen Zeiten navigieren? Wie kann ein Plan oder Ziel der chaotischen Welt standhalten und erreicht werden?

Hier sind einige Dinge, die beachtet werden sollten:

  1. Kommunikation: Ohne offene Kommunikation miteinander und mit untergebenen Kollegen kann Chaos nicht gezähmt werden. Teams und Kollegen müssen wissen, wohin sie gehen und was auf sie wartet, und dies kann nur passieren, wenn man ständig miteinander in Kontakt bleibt und sich austauscht.
  2. Ehrlichkeit: Wenn Probleme am Horizont sichtbar werden, müssen diese ehrlich und offen angesprochen und dargelegt werden. Es schafft nur wunde Punkte, wenn versucht wird, etwas zu verstecken. Führungskräfte können und dürfen ruhig auch die eigenen Erfahrungen und sogar Emotionen darlegen – dies macht sie menschlich und führt zu grösserem Vertrauen untereinander.
  3. Transparenz: Jedes Team sollte über die grossen Ziele und Zwecke Bescheid wissen. Unklare Ziele oder Absichten tragen nur dazu bei, noch mehr Chaos und Unsicherheit zu schaffen. Ebenso sollte immer sofort kommuniziert werden, wenn sich etwas verändert. So können Mitarbeiter sich sofort anpassen und entsprechend planen.
  4. Flexibilität: In einer Welt, die so unsicher ist und sich so schnell wandelt und verändert, müssen Ziele, Teams, Jobbeschreibungen und Karrierepläne sich ebenso schnell ändern und anpassen. Ohne Flexibilität kann ein Team und eine Firma heute nicht mehr funktionieren. Es ist also wichtig, sich oft und immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wie man anders navigieren und reagieren könnte. Ebenso muss beachtet werden, dass manchmal Veränderungen stattfinden, welche die bisherige Planung komplett über den Haufen werfen.
  5. Neugier: Gute Führungskräfte sind der Welt immer drei Schritte voraus. Die besten Führungskräfte erschaffen die Schritte selbst. Die Frage «Wie kann ich etwas besser machen?» sollte in jedem einzelnen Manager immer wieder auftauchen. In der VUCA Welt ist dies sogar noch wichtiger. Wenn man bereits durch Neugier und Tatendrang Lösungen für Probleme gefunden hat, die noch gar nicht existieren, kann der chaotischen und unvorhersehbaren Welt ein Gewinn abgerungen werden.
  6. Fleiss: Faulheit und Angst vor neuen Dingen sind die zwei grössten Herausforderungen, die das Geschäftsleben im 21. Jahrhundert belasten können. Nur weil eine Methode vor fünf Jahren noch funktioniert hat, heisst das noch lange nicht, dass dieselbe Methode heute funktioniert. Eine Führungskraft darf niemals faul werden und sich auf bekannte Mechanismen verlassen.

VUCA heisst, sich fragen: Wofür steht die eigene Firma eigentlich?

Mitarbeitende im 21. Jahrhundert brauchen mehr als nur ein Gehalt am Ende des Monats. Mit der grösseren Unsicherheit kommt auch das steigende Bedürfnis, etwas zu tun, was einen erfüllt. Die Millennials erwarten viel mehr vom Arbeitgeber und Manager, da die Sicherheit des Berufs viel geringer ist. Es findet ein grossflächiger Wandel statt.

Wie kann und soll also ein Manager oder Geschäftsführer heute Leistung erbringen und andere dazu motivieren, etwas zu leisten?

Motivation durch Vorleben ist nach wie vor bewährt und scheint auch in der VUCA-Welt noch immer wirksam zu sein. Es gibt Sicherheit und bildet Vertrauen, wenn ein Mitarbeiter das Gefühl hat, dass der Geschäftsführer oder Manager genauso engagiert ist, wie man es vom Mitarbeiter erwartet.

Ebenso ist es wichtiger geworden, die eigenen Mitarbeiter besser zu kennen und zu verstehen: Nur so kann ein gut funktionierendes Team gebildet werden, in dem Flexibilität mit hoher Effizienz gepaart ist. Ein ideales Team sollte aus vielseitigen Multitaskern und genauen Analytikern bestehen, die ein Verständnis füreinander aufbringen können und gleichzeitig die Schnelllebigkeit der VUCA-Welt verstehen und darauf reagieren können.
Das Team muss sich untereinander und der Führungskraft vertrauen. Sonst können auf Grund der problematischen äusseren Einflüsse schnell Reibungen entstehen.

Ebenso wichtig ist es, dass Führungskräfte verstehen, wann sie delegieren müssen und wer die natürlichen und talentierten «Leader» der Gruppe sind. Nicht alles muss gemanaget werden, im Gegenteil: Ein lockerer Führungsstil kann den Druck schwächen, der ohnehin bereits besteht. Komplexe Probleme können so einfacher in Angriff genommen werden, da nicht alles durch den einen engen Punkt laufen muss.

Kurzfristigere Ziele müssen gesetzt werden, um dem Team Erfolge liefern zu können. Ebenso ist es unmöglich, langfristige Ziele realistisch im Auge zu behalten, da die Volatilität einer VUCA-Welt dies verhindert.

Diversität muss gefördert werden. Aufgrund der hohen Ambiguity, also der oft unverständlichen Mehrdeutigkeit einer Situation, muss in jedem Team und Unternehmen darauf geachtet werden, dass Menschen mit vielen verschiedenen Hintergründen beschäftigt werden. Dies kann in mehrdeutigen Situationen schnell Klarheit schaffen.


Autor/in

Roger Basler

Roger Basler ist Betriebsökonom FH und «Unternehmens-Architekt». In dieser Funktion leitet, begleitet und investiert er in Startups, die in den Bereichen High-Tech, E-Commerce und Social Entrepreneurship unterwegs sind. Seine Fachspezialisierungen sind E-Commerce, Social-Commerce, digitales Marketing, ROI on Social Media, klassisches Marketing und Startups.