Führung und Komplexität: Gut entscheiden in undurchsichtigen Situationen
Der Umgang mit Komplexität ist herausfordernd. Um die steigende Komplexität zu bewältigen, ist es wichtig, dass Unternehmen sich bewusst werden, welche Hebel ihnen zur Verfügung stehen, um das Thema anzugehen. Digicomp Experte Christopher Schneider zeigt Methoden, wie Sie Komplexität meistern.
Der Begriff der «Komplexität» scheint allgegenwärtig und es macht den Anschein, als sei ein kollektiver Konsens darüber entstanden, dass unsere Arbeitswelt einfach immer «komplexer» geworden ist. Doch was bedeutet eigentlich Komplexität, und wie lässt sich als Führungskraft damit umgehen?
Was ist Komplexität?
Komplexität lässt sich beschreiben als Abhängigkeit verschiedener Aspekte, die sachlich, zeitlich und häufig auch sozial miteinander vernetzt sind und dabei eine Eigendynamik besitzen. Wirkungen solcher Konstellationen sind also unbestimmt und unvorhersagbar. Häufig wird auch noch der Aspekt der Intransparenz zur Komplexität gezählt, da keine oder nur wenige Informationen über Merkmale der Abhängigkeiten existieren.
Komplexitätsreduktion ist keine Lösung
Führungskräfte sind häufig versucht, komplexe Situationen auf einfache, offenbar erscheinende Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu reduzieren, damit sie ein Gefühl von Übersicht, Einfachheit und Handlungsfähigkeit erlangen und sich trauen, eine Entscheidung zu treffen. Doch wird dieses aktive Ausblenden von Wirkmechanismen der Situation wirklich gerecht? Könnten Entscheider die relevanten von den nicht-relevanten Aspekten tatsächlich unterscheiden und die Reduktion auf die lediglich relevanten vornehmen, wäre die Situation per se nicht komplex. Oder anders gesagt: Die Reduktion von Merkmalen wird der komplexen Situation nicht gerecht, weil es bei Komplexität nicht die eine Ursache für ein Problem gibt.
Schlechte Entscheidung, schlechtes Gefühl
Natürlich kann man Komplexität verringern, indem man Merkmale ausblendet. Doch die Wirkung der Reduktion muss beobachtet bleiben. Wie verhält sich das, was ausgeblendet wird, und in welcher Beziehung steht es zum nicht-reduzierten Teil? Womit die vereinfachte Situation wieder komplex wird. Wenn die Führungskraft im Rahmen einer intransparenten und vielschichtigen Situation, die stark vereinfacht wurde, eine Entscheidung trifft, dann könnte sich diese als nicht zielführend herausstellen. Dies kann Verunsicherung und ein Gefühl von Inkompetenz hervorrufen, was für den weiteren Prozess sicher nicht vorteilhaft ist.
Was hilft bei Komplexität?
Um nicht in die Reduktionsfalle zu tappen, empfehlen sich verschiedene Prinzipien für die Arbeit mit und in komplexen Situationen. Fünf wesentliche Prinzipien sollen an dieser Stelle kurz vorgestellt werden.
- Vernetzt in Zusammenhängen denken
Es gilt, sich nicht nur der Wirkungen und möglichen Wechselwirkungen bewusst zu werden, sondern auch mögliche Folgewirkungen einzukalkulieren. Die Ankündigung einer Prozessveränderung wird bei betroffenen Mitarbeitenden möglicherweise Ängste auslösen. Kann es passieren, dass wichtige Wissensträger kündigen, wenn sie nicht frühzeitig in die Veränderungen eingebunden werden? Und was bedeutete dieser Wissensverlust für das Team, was für das Prozessvorhaben? - Mit Nichtwissen bewusst umgehen
Für eine Entscheidung relevante Informationen im Rahmen einer komplexen Problemstellung sind selten und wenn überhaupt nur unter grossem Aufwand vollständig zu beschaffen. Wie damit umgehen, dass nicht alles bekannt ist? Durch Experimentieren beispielsweise lässt sich Nichtwissen als Noch-Nicht-Wissen beschreiben, da durch Ausprobieren neue Erkenntnisse gewonnen werden können. Agile Methoden wie Design Thinking oder SCRUM sind solche Ansätze des Tüftelns, um neue Erkenntnisse zu erhalten. - Dem Bauchgefühl misstrauen
Menschliche Wahrnehmung und Bewertung sind immer subjektiv. Ein positives Gefühl schützt nicht vor einer falschen Erwartung. Denn das Bauchgefühl baut immer auf bislang gemachten Erfahrungen auf und kann für eine neue Situation der falsche Ratgeber sein. Stattdessen erscheint es sinnvoll, Kollegen und Fachfremde um eine Einschätzung zu bitten, da diese Personen andere Erfahrungen und Erwartungen in sich tragen. So wird ein differenzierter Blick auf das Problem möglich, der den Charakter einer späteren Entscheidung wesentlich beeinflussen kann. - Selbstorganisiert managen
Wichtig ist es, Ziele und Pläne nicht «in Stein zu meisseln», sondern diese regelmässig zu überprüfen und auch anzupassen. Dies impliziert auch, dass Führungskräfte sich einen Überblick der Gesamtsituation bewahren und nicht als Mikromanager unterwegs sind. So behalten sie das System mit ihren Wechselwirkungen am ehesten im Blick und verlieren sich nicht in Detailfragen. - Vertrauen schenken
Führungskräfte, die Vertrauen schenken, signalisieren ihrem Team: «Ihr seid die echten Kenner des Systems und kennt das Problem besser als ich.» Eine von Vertrauen geprägte Führung ist motivierend und stärkt die Handlungsfähigkeit aller Beteiligten.
Fazit
Der Umgang mit Komplexität ist herausfordernd. Um die steigende Komplexität zu bewältigen, ist es wichtig, dass Unternehmen sich bewusst werden, welche Hebel ihnen zur Verfügung stehen, um das Thema anzugehen. Im Vordergrund steht dabei sicherlich zuerst eine grundlegende und umfassende Sensibilisierung für das Thema «Komplexität» für Mitarbeitende, die in diesem Kontext arbeiten. Darüber hinaus lassen sich mit Trainings wesentliche Führungskompetenzen wie vernetztes Denken oder das Schaffen von vertrauensvollen Beziehungen gezielt aufbauen. Schliesslich ist der Umgang mit Unsicherheit zu üben, der sich z.B. mit Methoden aus dem Improvisationstheater spielerisch erfahren lässt. Dies kann helfen, in komplexen und unsicheren Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und auf Ressourcen zu vertrauen, die sich nicht in den traditionellen und vermutlich noch weitverbreiteten Führungsmodellen finden.
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