40 Jahre ist eine lange Zeit

Technologische Entwicklungen orientieren sich immer stärker am Verkaufbaren denn am Machbaren, meint Digicomp Trainer Stephan Pfister.

Autor/in Stephan Pfister
Datum 19.03.2018
Lesezeit 6 Minuten

Etwas überrascht war ich schon, als ich mitbekommen habe, dass Digicomp in diesem Jahr ihren 40-zigsten Geburtstag feiert. Gerade in einem schwierigen Markt, der sich stetig verändert und weiterentwickelt, ist dies eine unglaublich grosse Leistung und zeugt von vielen tollen Menschen mit Innovation, Begeisterung und Leidenschaft für die Bildung und für den Namen Digicomp. Ich bin stolz, bereits seit 20 Jahren für Digicomp tätig zu sein und mein Wissen in verschiedensten Kursen an interessierte Teilnehmer weiterzugeben.

Nun geht es aber darum, nicht die vergangenen 40 Jahre zu durchleuchten, sondern sich Gedanken zu machen, wo die IT in 40 Jahren steht.

Eine ganz schwierige Frage, wirklich. Wenn ich mich zurückerinnere – und ich bin jetzt 45 Jahre alt –, dann war es zu unserer Zeit noch nicht weit her mit Informatik, Multimedia und all dem neumodischen Zeugs. Im Gegenteil, wir haben unsere drei Fernsehsender noch schwarz-weiss geschaut und sind aufgestanden, wenn wir den Sender wechseln wollten. Das Haustelefon hatte eine Wählscheibe und wir kannten die Nummern unserer Freunde und Familie auswendig oder hatten ein Telefonbüchlein neben dem Telefon. Würde die Entwicklung nochmals gleich hohe Fortschritte machen wie von damals zu heute, würden wir wohl schon in fünf Jahren Techniken aus Star Trek in unserem Alltag antreffen und uns an jeden beliebigen Ort beamen.

Fortschritt vs. Konsum

In meinem Freundeskreis gibt es immer wieder hitzige Diskussionen um ein paar wenige Themen, die anscheinend sehr zu polarisieren vermögen.

Beispiel Smartphones

Da wäre einerseits Apple mit ihrem Verkaufsschlager, dem iPhone. Kaum zu glauben, das erste iPhone wurde im November 2007 lanciert und veränderte den Markt des mobilen Telefonierens von Grund auf. Renommierte Firmen und Marktbeherrscher wie Nokia mussten innerhalb weniger Monate die Segel streichen, einfach, weil sie den Anschluss an das moderne Zeitalter komplett verschlafen hatten. 10 Jahre später schaue ich mir ein neues IPhone X an. Schön sieht es aus, teuer ist es geworden, natürlich leicht, eine super Kamera, viel Speicher. Aber wirklich technische bahnbrechende Innovation? Fehlanzeige. Nichts, was uns in irgendeiner Form weiterbringt, zumindest nichts Offensichtliches.

Vielmehr habe ich das Gefühl, dass sich die Technologie dem möglichst hohen Konsum anpasst. Also mit anderen Worten, immer wieder was Neues, nicht zu viel und nicht zu kompliziert, sonst verkauft es sich nicht mehr.

Und verstehen Sie mich nicht falsch, dies gilt für alle Smartphone-Hersteller.

Beispiel Elektrofahrzeuge

Der zweite Punkt sind Elektrofahrzeuge. Seit rund 14 Jahren gibt es Elektrofahrzeuge, verschiedenste Hersteller versuchten ihr Glück und lancierten verschiedenste Modelle und Varianten. Mit sehr überschaubarem Erfolg. Auch Tesla ging 2003 ins Rennen. 14 Jahre später haben wir ein tolles Fahrzeug zu einem Preis eines Luxuswagens mit einer Reichweite von gerade mal 500 Kilometern. Diese Angabe ist in etwa so zuverlässig wie die CO2-Werte der Deutschen Dieselmotoren. Realistisch gesehen, sind wir 14 Jahre später erschreckend weit davon entfernt, von einem funktionierenden Markt von Elektroautos sprechen zu können. Inwiefern hier die Öl- und Autoindustrie ihre blockierenden Hände im Spiel hat und hatte, ist reine Spekulation.

Lieber viele Evolutionen statt Revolutionen

An den obigen beiden Beispielen wird sich auch die IT die nächsten 40 Jahre entsprechend orientieren und sich enorm und stetig weiterentwickeln, immer mit dem Fokus auf die kleinen, erfolgreichen Schritte statt auf die grossen Veränderungen. Man darf nie vergessen und auf keinen Fall unterschätzen, dass bei allem Fortschritt der Mensch im Vordergrund steht. Grosse Veränderungen benötigen vielfach einen ganzen Generationenwechsel. Das hat nicht nur mit dem technischen Verstand, sondern auch mit Erziehung und Ideologie der jeweiligen Generation zu tun. Ich bin sicher, dass auch Sie Macken haben, die der Generation geschuldet sind.

In 40 Jahren ist alles anders

Trotz den erwähnten Umständen wird sich die IT unaufhaltsam weiterentwickeln und die Zentralisierung wird unumgänglich. Die Art und Weise der Informatik, wie wir sie heute kennen und auch tagtäglich erleben, wird sich komplett verändern. Wir werden jeden Tag, jede Stunde und bei nahezu allen Tätigkeiten mit der IT konfrontiert, nichts läuft mehr ohne sie. Aber das Wichtigste daran wird sein: Es passiert für uns einfach so, ohne unser Zutun, ohne Spezialwissen, einfach intuitiv, weil es so entwickelt wurde.

Unsere Arbeitswelt wird mit unserer kompletten Lebensumgebung verschmelzen, wir werden nicht mehr so viel arbeiten, dafür maximale Effizienz anstreben, um unsere Work-Life-Balance im Griff zu haben. Wir müssen nicht mehr an unseren Arbeitsort stressen, wir lassen uns von unserem Auto im Auto-Pilot chauffieren, ganz ohne Zeitdruck und ohne Stau. Noch besser, wir nutzen unser Zuhause für Home-Office und sind mit modernsten Kameratechniken in einem virtuellen Büro verbunden, wo wir unsere Kollegen sehen. Wir können mit ihnen sprechen und haben das Gefühl, inmitten unserer gewohnten Büroumgebung zu sein, ohne überhaupt einen physischen Arbeitsort zu haben. Die Welt wird zu einem Dorf, wo man sich jederzeit mit jedem verbinden kann, man lernt Länder und Kulturen kennen, ohne jemals dort gewesen zu sein.

Ob das besser ist als jetzt? Keine Ahnung, diese Frage wird sich aber die Generation dann nicht stellen, weil sie gar nichts anderes kennt. Ich werde dann 85 und dank modernster medizinischer Technik noch topfit sein, an irgendeinem virtuellen Strand einen Super-Smoothie schlürfen und meinen Kindern und Enkelkindern beim Arbeiten zuschauen.

In diesem Sinne, Happy Birthday liebe Digicomp und auf weitere erfolgreiche, spannende und abwechslungsreiche 40 Jahre.


Autor/in

Stephan Pfister

Nicht nur im Bereich der Schulung begleitet Stephan Pfister das Thema Server-based Computing. Seine Stärke liegt in der Konzeption, Implementierung und dem Unterhalt von komplexen Citrix-Umgebungen. Als Citrix Certified Instructor unterrichtet er sämtliche Kurse im Themenbereich Citrix.