Holacracy – Das Unternehmen als lebender Organismus

Unternehmen, die anstelle von klassischen Hierarchien auf Selbstorganisation setzen und so anpassungsfähiger werden – wie kann das funktionieren?

Autor/in Uta Kapp
Datum 21.04.2016
Lesezeit 7 Minuten

Unternehmen im digitalen Zeitalter sind einem ständigen Wandel ausgesetzt. Agile Methoden haben sich bewährt, damit sich Unternehmen gleich einem lebenden Organismus evolutionär weiterentwickeln und sich so diesen Herausforderungen stellen können.

Unternehmen als lebender Superorganismus

Im digitalen Zeitalter müssen sich Unternehmen ständig an veränderte Bedingungen anpassen. Damit dies funktioniert und ein System verbessert, Blockaden zeitnah erkannt und transformiert werden können, muss jeder Mitarbeiter einbezogen werden. Dies erhöht die Chance, sich dem Wandel anpassen zu können, wesentlich. Damit sich ein Unternehmen aber weg von starren hierarchischen Strukturen hin zu Selbstorganisation, Autonomie und Mitarbeiterermächtigung entwickeln kann, brauchen entsprechend auch Manager und Mitarbeiter Übung, um diese Veränderung mitzutragen. Hier helfen bewährte Konzepte und Methoden wie Scrum, Holacracy, Management 3.0 oder Design Thinking, die allesamt auf Selbstorganisation und multidisziplinären Teams aufbauen.

Agile Transformation zum autopoetischen Unternehmen

Der Versuch, ein Unternehmen als lebenden Organismus zu betrachten, der sich ständig weiterentwickelt, ist mit einem enormen Lernprozess verbunden. Wenn sich erst einmal alle daran gewöhnt haben, funktioniert das automatisch. Der Weg dorthin ist aber eine Konfrontation mit vielen Unbekannten. Die Angst vor Kontrollverlust begegnet mir hier am häufigsten. Der Umgang mit selbstorganisierenden Teams erfordert völlig neue Führungskompetenzen, auch als «Servant Leadership» bekannt. Hierbei gilt es, den Teams zu helfen, ihre Konflikte selbst zu lösen und Blockaden und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

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In unseren Kursen werden Sie fit für die vielfältigen Führungsaufgaben in der Digitalisierung. Sie finden bei Digicomp Seminare für Einsteiger, in denen Sie die Grundlagen der Mitarbeiterführung erlernen und auch Seminare für spezielle Situationen – wie z.B. zum Thema Change Management oder Führung im agilen Projektumfeld.

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Wenn nicht nur einzelne Teams sich selbst organisieren, sondern diese Teams sich auch eigenverantwortlich miteinander abstimmen, spricht man von einem autopoetischen Unternehmen. Solche sozialen Systeme setzen nicht auf Hierarchien. Dieser Ansatz wird in Softwareentwicklungsunternehmen zum Teil genutzt, um grosse Projekte mit vielen Teams zu skalieren oder Abteilungen und sogar ganze Unternehmen zu führen.

Rollen als Basisbaustein in einer Holacracy

Die Methode «Holacracy» erprobte Brian Robertson in seinen Unternehmen, um einen selbstorganisierenden, multidisziplinären Ansatz auf Unternehmensebene zu etablieren, der nicht nur auf die Entwicklung spezialisiert ist, sondern sich auch für den Einsatz bei Verwaltungsaufgaben eignet. Die Methodik erfordert eine radikale Unternehmens-Transformation. Im Gegensatz zu den anderen Methoden, die auch nur von einzelnen Teams umgesetzt werden können, erfordert Holacracy das Commitment des ganzen Unternehmens.

In einer Holacracy wird Verantwortlichkeit an Rollen delegiert. Eine Person kann mehrere Rollen innehaben. Wenn zu viel Verantwortung an einer Rolle hängt, kann diese unterteilt werden in Kreise, die wiederum Rollen beinhaltet. In einer Holacracy geht es darum, die Arbeit zu organisieren und nicht die Menschen; dadurch erhält man den Spielraum, dass sich die Personen um die Rollen selbst organisieren.

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© Samantha Lee/Business Insider

Spielregeln statt Basisdemokratie oder Kuschelkurs

In jedem sozialen System kommt es zu Konflikten und Spannungen zwischen den Teilnehmern. Solche Spannungen werden bei der Holacracy als Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Prioritäten und Erwartungen zwischen Rollen gesehen und sollten Anstoss für die Evolution der Organisation sein. Dieser Punkt stellt die grösste Herausforderung dar bei der Etablierung einer Holacracy.

Unternehmen, die autopoetisch agieren und sich evolutionär fortentwickeln, brauchen deshalb klare Spielregeln. Hier geht es nicht um Basisdemokratie oder Kuschelkurs. Die soziale Kontrolle ist ein entscheidender Faktor, damit solch ein System effektiv funktioniert. Spielregeln setzen den Rahmen. Sie müssen immer wieder erneuert werden, damit sie lebendig bleiben. Unternehmen wie Spotify leben dies vor. Sie haben einmal mit Scrum als Basis begonnen und dann ihre eigene spezielle Unternehmenskultur daraus entwickelt. Alle Frameworks und Methoden dienen hier nur als Starthilfe, mit der sich Unternehmen mit individuellen Spielregeln ständig weiterentwickeln.

Radikale Umstellung nötig

Nur wenn von Beginn weg eine grosse Mehrheit hinter solch einem Organisationssystem wie der Holacracy steht, gibt es eine Chance auf Erfolg. Zur Einführung kann daher die 40-seitige Holacracy Constitution genutzt werden, über die alle Beteiligten im Unternehmen abstimmen sollten.

In der Verfassung ist beschrieben, wie Rollen und Kreise zusammenspielen, wer welche Kompetenzen hat und was Kreismitglieder sind. Es wird beschrieben, welche speziellen Arten von Kreisen es gibt, wie Subkreise bestückt werden und wie die Kommunikation zwischen Kreisen abläuft. Innerhalb des Rahmens der Verfassung organisieren sich die Menschen selbst, ähnlich der Organisation einer Stadt oder eines Staates.

Autopoetische Unternehmensführung ist die Führungsmethode des digitalen Zeitalters. So schaffen es Unternehmen, den kontinuierlichen Wandel für sich konstruktiv zu nutzen. Es gibt inzwischen viel Erfahrung, wie solche Unternehmen funktionieren. Holacracy ist eine Methode, bei dessen Einführung das gesamte Unternehmen radikal umgestellt werden muss. Das hat dann auch den durchschlagenden unternehmensweiten Erfolg. Andere Frameworks wie Scrum können auch zuerst in Teilbereichen wie der Softwareentwicklung erprobt werden. Langfristig können jedoch die Unternehmen, die als Gesamtsystem wie ein lebender Superorganismus funktionieren und sich selbst organisieren, am erfolgreichsten mit dem Wandel der digitalen Beschleunigung umgehen.


Autor/in

Uta Kapp

Geschäftsführerin der AllScout GmbH in Stuttgart. Als eine Pionierin in der Softwareentwicklung begleitet Uta Kapp seit 1984 als Coach, Trainerin, Entwicklerin und Projektleiterin Unternehmen bei ihrem nächsten Entwicklungsschritt in Technologie- und Teamaspekten. Diese gehören aus ihrer Sicht untrennbar zusammen. Der Einsatz des Produktmanagement-Framework Scrum ist die Basis für die Kombination aus Prozessoptimierung und Engineering. Das Aktivieren von Kreativität, Teamsynergie und hoher Kundenorientierung bei der Softwareentwicklung, ist der Schwerpunkt ihrer Arbeit. Training von Führungskräften und Teams, begleitend bei Einführung von agilen Prozessen, ermöglicht die Balance bei der Transformation in Unternehmen. Uta Kapp ist Professional Scrum Trainerin bei der Scrum.org. Nach ihrem Informatikstudium war sie in der Softwareentwicklung bei der Firma Bosch in Stuttgart tätig. Sie hat mit der Firma Microsoft, als Projektleiterin, ein Computerspiel weltweit auf den Markt gebracht und war eine der ersten Java Trainerinnen für die Firma Sun Microsystems. Ausbildungen als systemischer und Co-Active Coach ergänzen ihre technischen Kompetenzen.