Scrum Guide Expansion Pack: Mehr Orientierung für Teams und Organisationen

Scrum ist seit über 20 Jahren das Fundament für Agilität in Teams. Doch die heutige Arbeitswelt ist komplexer denn je. Mit dem neuen Scrum Guide Expansion Pack wollen die Autor/innen Orientierung bieten. Im Interview erklärt Digicomp-Trainer Ralph Jocham, Mitglied des Editorial Teams, warum diese Erweiterung nötig war und wie Scrum auch über die Teamgrenzen hinaus Wirkung entfalten kann.

Christine Signer 20.08.2025

Scrum ist seit über zwei Jahrzehnten der bewährte Rahmen für Agilität auf Teamebene. Seine Stärke: Klarheit, Einfachheit und ein klarer Fokus auf empirisches Arbeiten. Doch in der heutigen Welt reicht das oft nicht mehr aus. Produkte sind komplexer geworden, Organisationen grösser, Technologie schneller und Scrum-Teams stehen immer häufiger vor Fragen, die der Scrum Guide von 2020 bewusst offengelassen hat.

Deshalb haben die Agile- und Scrum-Experten Ralph Jocham, Jeff Sutherland und John Coleman das Scrum Guide Expansion Pack (SGEP) geschaffen. Es ist kein neues Framework. Es ist ein praktischer, systematischer Ausbau des bestehenden Scrum Guides, der aufzeigt, wie Scrum in modernen, komplexen Umfeldern wirklich zum Tragen kommt, ohne die Leichtigkeit und Klarheit des ursprünglichen Guides zu verlieren.

Wir haben die Gelegenheit genutzt, dem Digicomp Scrum- und Agile-Trainer sowie Mitentwickler Ralph Jocham ein paar Fragen zum Expansion Pack zu stellen.

Scrum ist seit vielen Jahren etabliert. Warum braucht es jetzt ein «Expansion Pack»?
Ralph Jocham: Der Scrum Guide 2020 ist bewusst minimalistisch gehalten. Gleichzeitig erleben wir gerade einen enormen Umbruch, der neue Chancen eröffnet, aber auch zusätzliche Orientierung erfordert. Diese minimalistische Klarheit ist eine grosse Stärke. Er lässt jedoch viele Fragen offen, die in der heutigen Praxis relevant sind. Produkte sind komplexer, Organisationen grösser und technologische Entwicklungen, speziell durch AI, schneller geworden. Das Scrum Guide Expansion Pack (SGEP) ergänzt den bestehenden Guide mit zusätzlichen Erläuterungen und konkreten Hilfestellungen, ohne dessen Kernprinzipien zu verändern. Der Scrum Guide bleibt dabei die originale und unveränderte Quelle und das Expansion Pack versteht sich lediglich als Erweiterung und Konkretisierung.

📌«Produkte sind komplexer, Organisationen grösser und technologische Entwicklungen, speziell durch AI, schneller geworden.»

Worum handelt es sich beim Expansion Pack genau?
Das Scrum Guide Expansion Pack, kurz SGEP, ist kein neues Framework. Es erweitert den Scrum Guide um präzisere Definitionen, Beispiele und Unterscheidungen, die Teams und Organisationen helfen, Scrum in komplexen Umfeldern sicherer anzuwenden.
Als Trainer sehe ich in meinen Kursen immer wieder die gleichen Fragen, die im Scrum Guide selbst nicht ausreichend präzise beantwortet sind. Der Scrum Guide 2020 ist mittlerweile fünf Jahre alt. Hinzu kommt, dass AI in dieser Zeit einen riesigen Entwicklungssprung gemacht hat und die Art und Weise, wie Produkte entstehen, nochmals stark verändert hat. In dieser Zeit hat sich die Arbeitswelt stark gewandelt – genau deshalb war eine Erweiterung notwendig.

Welche Themen werden konkret vertieft?
Das Expansion Pack greift zentrale Fragen auf, die in der Praxis immer wieder auftauchen und im Scrum Guide 2020 bewusst offenblieben. Dazu gehören etwa die klare Unterscheidung von Produkt und Inkrement, das Zusammenspiel von Definition of Output Done und Definition of Outcome Done sowie die Rolle von Akzeptanzkriterien und Outcome-Kriterien. Es geht auch um die strategische Verantwortung der Product Owner – also wie Vision, Produktstrategie und Produktziele wirksam miteinander verbunden werden. Zusätzlich beleuchtet das SGEP, wie AI als unterstützender Faktor in Discovery, Entscheidungsfindung und Produktentwicklung eingesetzt werden kann, ohne dass die menschliche Verantwortung verloren geht. All diese Erweiterungen helfen, Scrum nicht nur als Teamrahmen zu verstehen, sondern als Modell, das Wertschöpfung in komplexen Organisationen konsequent in den Mittelpunkt stellt.

📌«Es geht auch um die strategische Verantwortung der Product Owner – also wie Vision, Produktstrategie und Produktziele wirksam miteinander verbunden werden.»

In welchen weiteren Punkten schafft das Expansion Pack zusätzliche Klarheit?
Ein Kernelement ist die Unterscheidung zwischen Definition of Output Done und Definition of Outcome Done. Output Done bezieht sich auf die technische und qualitative Fertigstellung eines Inkrements. Outcome Done betrachtet hingegen, ob das Ergebnis tatsächlich Wirkung entfaltet hat, beispielsweise ob ein Problem gelöst oder ein messbarer Wert geschaffen wurde. Diese Differenzierung hilft, den Fokus von reiner Lieferung auf tatsächliche Wirkung zu verschieben.

Im Expansion Pack tauchen neue Rollen auf. Was steckt dahinter?
Scrum wirkt am besten, wenn die Organisation das Team unterstützt. Das Expansion Pack beschreibt deshalb drei unterstützende Rollen ausserhalb des Scrum-Teams:

  • Stakeholder, Personen oder Gruppen mit Interesse am Produkt wie beispielsweise Kund/innen, Nutzer/innen, Sponsor/innen oder Entscheidungsträger/innen. Sie bringen Bedürfnisse und Prioritäten ein, geben Feedback und helfen, Wert und Nutzen zu überprüfen. Im SGEP sind sie aktive Partner/innen des Scrum-Teams, nicht nur Beobachtende.
  • Supporter, die Hindernisse beseitigen und Ressourcen bereitstellen. Supporter unterstützen aktiv die Einführung und konsequente Umsetzung von Scrum und helfen so, Hindernisse im Alltag abzubauen.
  • Leader, die Anpassungsfähigkeit in der Organisation fördern. Damit wird Scrum als Organisationsmodell verstanden, nicht nur als Methode auf Teamebene.

Was ist der Nutzen vom Expansion Pack für Organisationen, die Scrum bereits einsetzen?
Das Expansion Pack bietet zusätzlichen Kontext, um Scrum zielgerichteter einzusetzen. Es schafft eine gemeinsame Sprache, um Qualitäts- und Wirkungsziele klar zu definieren und unterstützt dabei, agile Prinzipien auch über die Teamgrenzen hinaus wirksam werden zu lassen.
Das Produkt selbst rückt dabei noch stärker in den Mittelpunkt. Scrum geht damit endgültig weg von der Vorstellung einer «Feature Factory». Gerade im Zeitalter von AI ist es entscheidend, sich auf den tatsächlichen Nutzen für Kund/innen zu konzentrieren, statt nur auf automatisierte Output-Produktion, und hin zu echtem Wert für Kund/innen und Nutzer/innen.

📌«Das Scrum Expansion Pack bietet zusätzlichen Kontext, um Scrum zielgerichteter einzusetzen. Es schafft eine gemeinsame Sprache, um Qualitäts- und Wirkungsziele klar zu definieren und unterstützt dabei, agile Prinzipien auch über die Teamgrenzen hinaus wirksam werden zu lassen.»

Wie komme ich als Kursbesucher/in bei Digicomp zum Scrum Expansion Pack?
Ich bin seit vielen Jahren als Scrum-Trainer für Digicomp tätig und stolz darauf, Menschen bei ihrer agilen Reise zu begleiten. Gemeinsam mit Digicomp habe ich hunderte Teilnehmende auf ihrem Weg zu professionellen Scrum Mastern, Product Ownern oder agilen Führungskräften begleitet.
Mit dem Scrum Guide Expansion Pack beginnt jetzt ein neues Kapitel. Es liefert nicht nur mehr Tiefe, sondern auch mehr Klarheit für alle, die Scrum nicht nur verstehen, sondern wirksam anwenden wollen – in echten Produkten, echten Organisationen, mit echten Resultaten.

Gibt es die Möglichkeit, spezifische Trainings zum Scrum Expansion Pack zu buchen?
Derzeit gibt es noch kein spezifisches Training zum Expansion Pack. Aber wenn du bereits Scrum nutzet, Product Owner  oder Scrum Master in einer grösseren Organisation bist, dann sollten du dich unbedingt mit dem SGEP beschäftigen. Im September erscheint bereits das erste Update. Das SGEP ist ein lebendiges Dokument, das sich kontinuierlich weiterentwickelt und an neue Anforderungen anpasst.
In meinen bestehenden Trainings, etwa Professional Scrum Product Owner oder Professional Agile Leadership,  fliessen bereits viele Inhalte aus dem Expansion Pack ein. Dort zeige ich dir, wie du Scrum auf ein neues Level heben kannst – ohne das Rad neu zu erfinden.

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Autor/in

Christine Signer

Schreiben, recherchieren, das Thema SEO und ein ausgeprägtes Interesse daran, wie AI den Arbeitsalltag bereichern kann, zeichnen Christine Signer aus. Sie unterstützt das Marketingteam von Digicomp in den Bereichen Copywriting und Content Management.