UX Research: Wann nutzt man Usability Tests & wann Fokusgruppen?
Was Menschen meinen ist nicht identisch mit dem, was Menschen tun. Deshalb geben Fokusgruppen spannende Impulse für Produktentwicklungen, sagen aber wenig über das Verhalten der Nutzenden aus. Dafür gibt es Usability Tests.
In unserem Kühlschrank befindet sich ein Glas mit Quitten-Konfitüre. Es ist noch zu vier Fünftel voll. Das Haltbarkeitsdatum ist überschritten.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich es mit meinen drei Töchtern gekauft habe. Unisono haben die drei jungen Mädchen geträllert: «Au ja, Quitte!» «Bitte, das grosse Glas!» «Das kommt schon weg!»
In diesem Augenblick waren meine Töchter eine Fokusgruppe. In einer sich gegenseitig aufwiegelnden Gruppendynamik haben sie mich dazu überredet, ein grosses Glas Quitten-Konfitüre zu kaufen.
Der Usability Test folgte am Tag darauf beim Sonntags-Brunch: Man habe Quitte mit Birne verwechselt. Das Glas habe im Laden viel kleiner gewirkt. Man habe nie gesagt, dass man selbst davon essen werde.
Wenn Sie aufgrund dieses Beispiels den Unterschied zwischen Fokus-Gruppen und Usability-Test bereits verstanden haben, können Sie den Rest dieses Blog-Beitrags ja einfach zum Spass lesen.
Wenn nicht, freue ich mich, Ihnen mehr über die Vor- und Nachteile von Fokusgruppen und Usability Tests zu erklären und wann diese beide Methoden sinnvoll zum Einsatz kommen. Denn diese sind zwei wichtige, aber sehr unterschiedliche Methoden der UX Research.
Aber zunächst zum Sinn und Zweck von UX Research.
Was ist UX Research und warum ist sie wichtig?UX Research (häufig auch User Research genannt) ermöglicht es Ihnen mithilfe von qualitativen und quantitativen Methoden, die Bedürfnisse Ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu ermitteln und zu verstehen. Die Ergebnisse der User Research unterstützen Sie, neue Lösungen für die Probleme der Nutzenden zu entwickeln und Ihre bestehenden Produkte und Services zu verbessern. Deshalb sollte die UX Research ein wesentlicher Teil jedes Produktentwicklungsprozesses sein. Denn wie können Sie eine optimale User Experience bieten, wenn Sie die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer gar nicht kennen? Die Nielson Norman Group unterscheidet 20 verschiedene Research Methoden, die während des gesamten Produkt- und Service Lifecycles zum Einsatz kommen können. Es ist natürlich absolut unrealistisch, alle anzuwenden, aber ist es durchaus ein Gewinn mehrere unterschiedliche Methoden während des gesamten Entwicklungszykluses zu nutzen und die Forschungserkenntnisse zu verknüpfen. In der Praxis kommen in der Regel nur eine oder zwei Methoden zur Anwendung. Schauen wir uns zwei der geläufigsten an: Fokusgruppen und Usability Tests. Beides sind qualitative Methoden, die Ihnen wichtige, aber ganz unterschiedliche Informationen liefern. Der Schlüssel ist deshalb zu wissen, in welcher Phase sie sinnvoll zur Anwendung kommen. |
UX Research (häufig auch User Research genannt) ermöglicht es Ihnen mithilfe von qualitativen und quantitativen Methoden, die Bedürfnisse Ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu ermitteln und zu verstehen. Die Ergebnisse der User Research unterstützen Sie, neue Lösungen für die Probleme der Nutzenden zu entwickeln und Ihre bestehenden Produkte und Services zu verbessern.
Deshalb sollte die UX Research ein wesentlicher Teil jedes Produktentwicklungsprozesses sein. Denn wie können Sie eine optimale User Experience bieten, wenn Sie die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer gar nicht kennen?
Die Nielson Norman Group unterscheidet 20 verschiedene Research Methoden, die während des gesamten Produkt- und Service Lifecycles zum Einsatz kommen können. Es ist natürlich absolut unrealistisch, alle anzuwenden, aber ist es durchaus ein Gewinn mehrere unterschiedliche Methoden während des gesamten Entwicklungszykluses zu nutzen und die Forschungserkenntnisse zu verknüpfen.
In der Praxis kommen in der Regel nur eine oder zwei Methoden zur Anwendung. Schauen wir uns zwei der geläufigsten an: Fokusgruppen und Usability Tests.
Beides sind qualitative Methoden, die Ihnen wichtige, aber ganz unterschiedliche Informationen liefern. Der Schlüssel ist deshalb zu wissen, in welcher Phase sie sinnvoll zur Anwendung kommen.
Wann nutzt man Fokusgruppen?
Starten wir mit den Fokusgruppen, die traditionell eher eine Methode aus der Marktforschung ist. Wie der Name sagt, bestehen Fokusgruppen aus mehreren Menschen. Die ablaufenden Prozesse sind somit Gruppenprozesse. In der Regel werden dabei 3 – 12 Personen durch eine moderierte Gruppendiskussion mit definierten Fokusthemen geführt.
Wie meine Töchter beim Einkaufen eignen sich Fokusgruppen wunderbar dafür, Einstellungen, Meinungen oder Gefühle zu ermitteln. Sie liefern eher abstrakte Informationen à la «Es wäre cool, Konfitüre im Haus zu haben» statt konkrete Umsetzungsvorschläge, wie beispielsweise die Menge oder die Geschmacksrichtung.
Um das zu präzisieren: natürlich werden auch von einer Fokusgruppe konkrete Aussagen getätigt («Ja, los Papa, kauf das grosse Glas Quitten-Marmelade!»), man sollte sie aber nicht als konkrete Anforderungen verstehen. Es besteht ein wichtiger Unterschied, zwischen dem, was Menschen sagen und dem, was Menschen tun.
Denn die Aussagen sind stets darauf begrenzt sind, was die befragten Menschen in diesem Moment wissen und bereit sind zu teilen. Deshalb dienen Fokusgruppen vor allem dazu, die erklärten Überzeugungen zu verstehen und Empathie zuzugewinnen.
Gut durchgeführt sind Fokusgruppen ein sinnvolles Instrument für ein erstes Feedback in der initialen Projekt-Phase, aber nicht als einzige UX Research Methode geeignet.
Der grösste Vorteil von Fokusgruppen ist, dass diese mit relativ wenig Aufwand durchgeführt werden können, der Nachteil ist, dass sich die Personen durch die Gruppendynamik häufig beeinflussen lassen. Soll dies vermieden werden, sind qualitative Einzel-Interviews vorzuziehen.
Wenn nicht die subjektiven Einstellungen, also das Menschen sagen, sondern das was Menschen tun, untersucht werden soll, müssen objektive, beobachtende Methoden genutzt werden.
Hier sind sog. Field Studies häufig die erste Wahl. Dabei begeben Sie sich ins «Feld» und beobachten die Studienteilnehmenden in ihrer gewohnten Umgebung, um Aufschlüsse über das natürliche Verhalten zu gewinnen.
Nichts desto trotz können Fokusgruppen spannende Impulse liefern, bevor Sie ein neues Produkt entwickeln und wenn Sie noch wenig Wissen über Ihre Zielgruppe haben. Zudem erfassen objektive Methoden allein ebenso wenig die ganze Komplexität einer User Experience, da diese auch immer von Emotionen, Denkweisen, Werten und Glaubenssystemen beeinflusst werden.
Wann nutzt man Usability Tests?
Usability Tests (häufig auch User Tests genannt) werden mit Einzelpersonen durchgeführt. Natürlich können sie parallel mehrere User Ihre Anwendung testen lassen. Ausnahmen für die 1-Personen-Regel gibt es natürlich bei Produkten und Dienstleistungen, die explizit für mehrere Personen entwickelt wurden.
Statt Gruppendynamiken walten zu lassen, werden die Testpersonen mit konkreten Aufgaben (Tasks) konfrontiert.
Beispielsweise gilt es, überhaupt erst einmal herauszufinden, wofür ein Produkt, eine Website, eine App oder ein Interface gedacht ist und wie diese funktioniert. Oder den Test-Usern werden bestimmte (konkrete!) Aufgaben gestellt, die sie dann in der Interaktion mit der zu testenden Anwendung lösen müssen.
Dabei geht es weniger um die Frage, ob die Anwendung das macht, was sie machen soll, sondern um die (viel wichtigere!) Frage, ob die Anwendung von der Zielgruppe überhaupt bedient und somit genutzt werden kann.
Dank konkreter Aufgabestellungen liefern Usability Tests gegenüber Fokusgruppen auch eher konkrete Ergebnisse wie z.B. «Diese Konfitüre finde ich lecker!» oder «Wir haben zu viel Marmelade eingekauft!». Der zweite Vorteil ist, dass die Ergebnisse auch zuverlässiger sind, weil die Teilnehmenden nicht von anderen beeinflusst werden. Der Nachteil ist, dass Usability-Testing in der Regel viel aufwändiger und kostspieliger ist.
Am sinnvollsten sind Usability Tests immer dann eingesetzt, wenn Sie eine Website / App oder ein System von Grund auf neu bauen oder wenn Änderungen anstehen. Usability Tests werden am besten während des gesamten Produktentwicklungszyklus wiederholt und auch als Tool genutzt, um die Leistung Ihrer Website / App oder Ihres System zu messen.
Design Thinking: Fokus-Gruppen und Usability Tests unter einem Hut
Von Fokus-Gruppen kann man sehr früh in einer Projekt-Phase lernen. Z.B. wie sie grundsätzlich auf eine Idee reagiert. Wenn ich z.B. meine Kinder schon zu Hause frage, ob jemand gern Quitten-Marmelade hätte, kann ich ganz gut ermitteln, ob überhaupt der Wunsch nach dieser Art von Brotaufstrich besteht, auch wenn (noch) gar keine Marmelade im Haus ist.
Usability Tests hingegen macht man, wenn schon etwas da ist, das getestet werden kann.
Als ich noch im letzten Jahrtausend angefangen habe, Websites zu erstellen, wurde das jeweils gemacht, wenn das Produkt (laut Aussage der Programmierer) «fertig» war. Man hat also 3 Monate an etwas gearbeitet, bevor man es den Endnutzern zum Ausprobieren überlassen hat.
Bildlich gesprochen, hat man die Kindern zu Hause gefragt, ob jemand Quitten-Konfitüre wolle, ist dann in den Supermarkt einkaufen gegangen, hat alles nach Hause geschleppt, Brot gebacken, es in Scheiben geschnitten, Rahm zu Butter geschlagen, damit die Brotscheiben geschmiert, um diese schlussendlich mit einer Schicht Marmelade zu versehen und den Kindern zum Probieren darzureichen, um dann erst zu erfahren, dass man Quitten mit Birnen verwechselt habe.
Heute ist man schlauer, kennt agile Vorgehensweisen und Design Thinking.
Um z.B. einem meiner Lieblings-Mottos «Fail often and fail early» (dt. etwa: Mach’ viele Fehler und mach’ sie früh) gerecht zu werden, gibt es einen einfachen Dreischritt, welcher auch im Design Thinking Anwendung findet:
- Die so genannte «kritische Funktion» finden: Woran könnte das Projekt scheitern? Was ist neu an der ganzen Sache und wurde noch nie ausprobiert?
Im Marmelade-Beispiel war z.B. der Geschmack bzw. das Mögen-des-Geschmacks eine solche kritische Funktion, wie sich bei der ersten Verkostung schon zeigte. - Einen Prototyp erstellen, um die kritische Funktion zu testen: Wie kann die kritische Funktion so früh/einfach/kostengünstig wie möglich getestet werden?
Beim Einkaufen mit meinen Töchtern hätte ich ein kleines Glas Quittenmarmelade kaufen können statt ein grosses. - Die kritische Funktion von echten Usern testen lassen
Ich hätte an Ort und Stelle jedes Kind probieren lassen können. Die Maximalkosten wären jene eines kleinen Glases gewesen, das ich selbstverständlich gekauft hätte, da es von mir geöffnet wurde.
Beim letzten Schritt ist es wichtig, dass die User (=meine Kinder) das Produkt testen. Es reicht nämlich nicht aus, dass ich selbst im Supermarkt einen Löffel voll nehme und dann denke, dass es den Kindern schon irgendwie schmecken werde.
Ich bin in Design Thinking Seminaren und Workshops, die ich leite, immer wieder überrascht, wie einfach eine kritische Funktion mittels eines Prototyps getestet werden kann – oft reichen etwas Karton und Klebestreifen.
Auch fasziniert mich heute noch das Zusammenrücken der beiden Ideen, die sich hinter User Gruppen und Usability Tests verbergen: Die Fokusgruppe kann dank Prototypen und Minimal Viable Products (MVP) zeitnah in ein vorgezogenes Usability Testing eingebunden werden.
Zusammenfassung
Die Erkenntnisse aus diesem Artikel möchte ich gern mittels ein paar Fragen zusammenfassen und sie jeweils sowohl aus Sicht einer Fokusgruppe wie auch aus jener von Usability Tests beantworten:
Frage | Fokusgruppe | Usability Test |
Wer beantwortet mir die Frage, was meine Zielgruppe für allgemeine/abstrakte Wünsche hat? | Wir! | x |
Wer kann mir sagen, ob mein/e allgemeine/abstrakte Idee/Angebot überhaupt attraktiv ist? | Wir! | x |
Wer kann mir sagen, ob mein konkretes Produkt funktioniert? | x | Ich! |
Wer kann mir sagen, wie mein Produkt verbessert werden kann? | x | Ich! |
Wann soll ich euch einsetzten | Bevor du anfängst, etwas Konkretes umzusetzen. | Sobald du etwas zum ausprobieren hast. |
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