Technical Meeting Review: OMG – ich war in Amsterdam!
BPMN, UML oder SysML: Das OMG Technical Meeting setzt Standards für die hersteller- und systemübergreifende Programmierung. Serge Schiltz war in Amsterdam zum ersten Mal dabei.
Nein, ich habe nicht plötzlich die Begeisterungs-Ausrufe meiner Kinder übernommen. Vom 17. bis 21. Juni 2019 fand in Amsterdam das vierteljährliche Technical Meeting des IT-Verbands Object Management Group (OMG) statt – und dieses habe ich erstmals besucht.
Zum Technical Meeting sind ausschliesslich Mitarbeiter von Mitgliedsfirmen eingeladen; eine Einzelmitgliedschaft gibt es nicht. Um gehen zu dürfen, muss man also seinen Arbeitgeber überzeugen, den nicht ganz billigen Mitgliedsbeitrag zu zahlen… Eine nicht unerheblich Hürde.
«Im Umfeld des Prozessmanagements und der Unternehmensmodellierung ist OMG der Standard-Setter schlechthin.»
Seit ich vor fast fünf Jahren mein Beratungsunternehmen processCentric GmbH gegründet habe, gestaltet sich das Ganze etwas einfacher, denn ich muss nur mich selber überzeugen.
Im Umfeld des Prozessmanagements und der Unternehmensmodellierung ist OMG der Standard-Setter schlechthin. BPMN, DMN, CMMN, BMM, SBVR, SBRM, VDML, UML, SysML und weitere Standards stammen vom OMG, die für mich und mein Unternehmen eine ganz zentrale Rolle spielen. Auch in meinen Schulungen an der Digicomp Academy sind diese omnipräsent. Und wenn man für sein Fachgebiet dermassen viel Begeisterung aufbringt wie ich und gerne die Zukunftsthemen mitgestalten möchte, dann muss man einfach dabei sein!
Das Technical Meeting ist DAS grosse, regelmässige OMG-Treffen. Leider findet es bisher nur in den ungeraden Jahren einmal in Europa und sonst immer in den USA oder in Kanada statt. Die Gelegenheit durfte ich mir nicht entgehen lassen und bin darum nach Amsterdam gereist. Weil ich in dieser Woche noch eine Menge anderer Termine hatte, konnte ich nur am Montag dabei sein. Aber immerhin war dies der Sitzungstag der BMI DTF.
Die OMG-Leute sind Abkürzungs-Freaks. BMI DTF steht für «Business Modeling and Integration Domain Task Force». Das ist die Arbeitsgruppe, aus deren Feder die oben genannten Standards stammen.
Ankunft an der Konferenz-Location
Spät abends am Sonntag bin ich angereist und dann gleich auf mein Zimmer im Park Inn Amsterdam West, der Konferenz-Location, verschwunden. Am nächsten Morgen musste ich früh aus den Federn, denn noch vor dem eigentlichen Konferenzbeginn gab es eine Einführung für Neulinge wie mich. Entsprechend waren beim Frühstück nur OMG-Mitarbeitende zu sehen und kaum Konferenz-Teilnehmer.
Im Registration Office wurde mir mein Badge ausgehändigt. Nicht weiss wie alle anderen, sondern rosarot, weil mein Unternehmen erst «Trial Member» ist; das ist die günstige Mitgliedschaftsvariante fürs erste Jahr. Unten am Badge hängt noch der Schriftzug «First Time Attendee», so dass alle Verständnis für meine Unkenntnis aufbringen konnten. Die Helfer sind als «Staff» angeschrieben, die Leiter der Task Forces – also die Experten – als «Chair».
Der Standardisierungsprozess der OMG
An der Einführungs-Session für First Time Attendees stellen Diane Ehramjian und Karen Shunk den Verband und dessen Eigenheiten vor: die verschiedenen Gremien, die unendlich vielen Abkürzungen, der Sitzungsrhythmus, etc. Karen betont, wie zentral der Standardisierungsprozess von OMG ist und wie peinlich genau dieser eingehalten wird.
In dem Moment frage ich mich: «OMG! Wo bin ich hier?» Wird hier in Amsterdam möglicherweise inhaltlich gar nicht so viel über die mich interessierenden Standards gefachsimpelt, sondern ein langweiliger Prozess abgespult? Ok, Prozesse interessieren mich brennend, aber ich bin angereist, um mit den OMG-Göttern über die Weiterentwicklung der Standards zu reden.
Die Business Modeling and Integration Domain Task Force (BMI DTF)
Als ich den Sitzungsraum «Xanadu» betrete (dabei denke ich an den früheren Hit von Olivia Newton John), befindet sich darin nur ein älterer Herr, der eine Steckdose für sein Notebook sucht: Fred Cummins. Als ich zwei Wochen vorher bei OMG angefragt hatte, ob mich jemand einführen könnte, antwortete Fred einfach und knapp, ich solle doch einfach zur BMI-DTF-Sitzung kommen.
Die Sitzung dauert den ganzen Tag, von 9 bis 17 Uhr. Hier treffe ich keine grosse Menschenmenge, aber Kollegen, mit denen ich viele Interessen teile: Claude Baudoin, Denis Gagné, Antoine London, ziemlich bekannte Namen, «OMG-Götter», wie ich vorhin meinte. Mit den drei Genannten habe ich mich vor allem in den Pausen über sehr interessante Themen unterhalten. Und weil wir für einmal auf Französisch diskutieren konnten, waren wir wie ein Geheimclub.
Unser Kernthema war die Weiterentwicklung von CMMN, dessen Potential vielfach unterschätzt wird. Zurzeit modelliere ich zusammen mit einem Bachelor-Studenten der HSG die Fallbearbeitung einer kantonalen Verwaltungseinheit. Denis und ich wollen dies als Grundlage für realistische CMMN-Beispiele nehmen. Die Beispiele, die man heute in der Literatur und im Internet findet, sind einfach zu banal. Wir haben auch diskutiert, dass wir CMMN in eine der OCEB2-Zertifizierungen integrieren sollten. Eine grosse, aber wichtige Arbeit, die sicher auch das Trainings-Portfolio der Digicomp Academy beeinflussen wird.
Fred berichtet über den Stand des BACM, dem Business Architecture Core Metamodel. Dieses soll vor allem auch ein Bindeglied zwischen den verschiedenen OMG-Metamodellen und -Standards sein. Das ist heute für viele Praktiker aber noch ein offener Diskussionspunkt. OMG will das Feld der Business Architecture nicht mehr vollständig der Open Group überlassen. Wir feilen gemeinsam am RFP (Request for Proposal) für den neuen Standard.
«Der strikt eingehaltene Standardisierungsprozess ist eine eminent wichtige Leitlinie ist, um den Arbeitsgruppen zwischen den Meetings die Freiheit zu geben, kreativ an der Weiterentwicklung der Standards zu arbeiten.»
Als nächstes setzt uns Claude über den Vorschlag ins Bild, einen Risk-Management-Standard zu entwickeln. Mit diesem Thema befasse ich mich seit vielen Jahren, denn ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, ein Internes Kontrollsystem (IKS) auf einer Prozessdokumentation aufzubauen. Verschiedene Tools bieten heute bereits diese Möglichkeit, man lässt sich damit aber auf proprietäre Erweiterungen einzelner Anbieter ein. Gemeinsam arbeiten wir am RFI (Request for Input).
Nach einer Pause geht es weiter mit dem Request for Proposal für das SBRM (Standard Business Report Model). Dies wurde vom amerikanischen Congress mit hoher Dringlichkeit angestossen. Es gibt hier nämlich ein Gesetzesvorhaben, den «Financial Transparency Act», das börsenkotierte Unternehmen zu einem einheitlichen Reporting verpflichten will.
Es wird mir bewusst, dass die OMG für die USA in gewisser Weise dieselbe Funktion einnimmt, die der Verein eCH für die Schweiz hat. Als ich einige Tage später an der Plenumssitzung der eCH-Fachgruppe für Geschäftsprozesse teilnehme, frage ich mich, ob diese nicht enger an die OMG angebunden sein sollte.
Lars Toomre berichtet in diesem Umfeld vom Konzept eines «Semantic Workbook», eines excel-artigen Tools, indem aber in den Zeilen nicht einfach Werte eingegeben werden können, sondern die Herkunft der Daten abgebildet wird.
Ein weiterer Request for Input befasst sich mit dem Thema Requirements Management. Was sollen die Anforderungen, also die Requirements für Requirements Management in IT-Projekten sein? Damit die Formulierungen nicht wie ein Schwanzbeisser tönen, mussten wir etwas an den Begrifflichkeiten arbeiten.
Am Abend ist klar, dass der erst so langweilig wirkende, strikt eingehaltene Standardisierungsprozess eine eminent wichtige Leitlinie ist, um den Arbeitsgruppen zwischen den Meeting die Freiheit zu geben, kreativ an der Weiterentwicklung der Standards zu arbeiten. Ich bin begeistert!
BPMN Meet & Greet
Den Abschluss des Tages bildet der 6. BPMN Meet & Greet, eine Demo der wichtigsten Hersteller von Modellierungs-Tools, welche den nahtlosen Austausch von BPMN-Modellen unter Beweis stellt.
Moderiert von Denis Gagné, modellieren Mitarbeiter der Hersteller, teils in Amsterdam, teils zugeschaltet über Videokonferenz, Teile eines grösseren Modells, die am Ende zusammengeführt werden und in allen Tools gleich aussehen und gleich funktionieren. Beeindruckend! Eine Aufzeichnung des Events findet man auf Youtube:
Mit diesem Event, begleitet von einem Apèro und angeregten Diskussionen mit den Kollegen, endet der Tag und für mich der Besuch des Technical Meeting.
OMG, war das ein cooler Anlass!
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