Künstliche Intelligenz revolutioniert das Marketing – nicht mit einem grossen Paukenschlag, sondern durch präzise Effizienz und gezielte Wirkung. Sie automatisiert Prozesse, analysiert Datenmuster und schärft die Ansprache entlang der gesamten Customer Journey. Doch so vielversprechend der technologische Fortschritt ist: Nicht jede Anwendung passt zu jedem Unternehmen. Umso wichtiger ist eine fundierte Analyse der eigenen Bedürfnisse und Ziele. Nur wer klar definiert, wo KI sinnvoll eingesetzt werden kann, wird sein strategisches Potenzial wirklich ausschöpfen.
Viele Unternehmen erleben schon heute grosse Effizienzgewinne durch einfache KI-Tools wie ChatGPT oder Midjourney. Diese helfen beispielsweise dabei, Texte schneller zu schreiben, Fehler zu korrigieren, Inhalte in andere Sprachen zu übersetzen oder visuelle Moodboards zu erstellen. Besonders das Brainstorming neuer Marketingideen, die Entwicklung kreativer Konzepte für unterschiedliche Kanäle oder sogar die teilweise Automatisierung von Newslettern sparen viel Zeit. Der Vorteil dabei ist klar: Marketing-Teams können sich auf kreative und strategisch wertvolle Tätigkeiten konzentrieren, anstatt Zeit mit repetitiven Aufgaben zu verbringen.
Darüber hinaus eröffnen sich durch KI auch tiefgreifende strategische Möglichkeiten. Unternehmen, die bereits Erfahrung mit einfachen Tools gesammelt haben, interessieren sich oft für komplexere Lösungen. Dazu gehören beispielsweise Custom GPTs oder KI-Agenten, die ganze Prozessschritte selbständig übernehmen können.
Die grösste Stärke von KI liegt in der Fähigkeit, riesige Mengen an Daten effizient zu verarbeiten und dabei Muster zu erkennen, die für Menschen kaum sichtbar wären. Diese Musteranalyse erlaubt es Unternehmen, bessere Entscheidungen zu treffen – etwa bei der Segmentierung von Zielgruppen, der Optimierung von Customer Journeys oder der Identifikation von Problemen im Verkaufsprozess.
Ein gutes Beispiel dafür ist die NBA Global Scout App. Anstatt manuell Millionen von Videos zu sichten, analysiert die App mithilfe von KI Trainingsdaten und identifiziert vielversprechende Talente weltweit. Ähnlich können auch kleine Marketing-Teams durch KI gestützt komplexe Nutzerverhaltensdaten auswerten, ohne eigene Data Science Ressourcen aufbauen zu müssen.
In naher Zukunft könnten auch vereinfachte Analytics-Tools zu sehen sein, die durch KI gesteuert würden. Dashboards, die sich automatisch aktualisieren, KPIs in Klartext übersetzen und konkrete Handlungsvorschläge liefern, werden die Nutzung von Tools wie Google Analytics deutlich zugänglicher machen – besonders für nicht-technische Nutzerinnen und Nutzer.
Der Einsatz von KI verändert die traditionelle Customer Journey stark, indem bestehende Touchpoints sich verlagern oder sogar ganz wegfallen und gleichzeitig neue Touchpoints entstehen.
Ein bedeutender Touchpoint, der sich bereits verändert hat, ist die klassische Google-Suche. Zwar dominiert Google diesen Bereich derzeit noch deutlich, doch mit der fortschreitenden Entwicklung und zunehmend intuitiven Nutzung von KI-gestützten Alternativen – etwa dem «Advanced Voice Mode» von OpenAI oder Tools wie «GalaxyAI» – könnte sich dies langfristig verändern. Anstelle der klassischen Recherche über Suchmaschinen erhalten Nutzende ihre Antworten direkt von KI-Systemen. Damit verlieren bisher zentrale «First Impression»-Touchpoints, die viele Unternehmen für die Kundengewinnung genutzt haben, schrittweise an Bedeutung. Unternehmen stehen nun vor der Aufgabe, neue Wege zu finden, um in KI-generierten Antworten sichtbar und relevant zu bleiben.
Der Einsatz von KI führt auch zu einer Verkürzung der Customer Journey. Bereits heute übernehmen Custom GPTs oder KI-Agenten einfache Prozesse eigenständig – etwa beim Buchen von Flug- oder Zugtickets. Der menschliche Kontakt endet oft schon mit der ersten Anfrage («Prompt»). Für die Kundschaft bedeutet das weniger Aufwand und schnellere Abläufe. Für Unternehmen hingegen entsteht die Herausforderung, neue Wege zur Stärkung von Markenbindung und Sichtbarkeit zu finden.
Auf der anderen Seite entstehen neue KI-getriebene Kontaktpunkte, wie beispielsweise smarte AI-Chatbots. Diese sind besonders für einfache Kundenanfragen gut geeignet und werden immer häufiger von Unternehmen eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist der Chatbot der Helvetia Versicherung in der Schweiz. Ein solcher Chatbot übernimmt einfache, repetitive Fragen, wodurch sich der Kundenservice verstärkt auf komplexere Probleme konzentrieren kann. Dies verbessert einerseits die Kundenerfahrung, schafft andererseits aber auch völlig neue Touchpoints, über die Unternehmen direkt mit Kunden in Kontakt treten und ihre Bedürfnisse besser verstehen können.
Bei der Integration von KI in bestehende Marketingprozesse und -systeme stehen Unternehmen vor drei wesentlichen Herausforderungen:
KI und Machine Learning werden bereits seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt, um Kampagnen in Echtzeit zu optimieren. KI erkennt Muster im Verhalten der Nutzer schneller und präziser, als das Menschen könnten. So können Kampagnen exakt zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Zielgruppe ausgespielt werden. Das bedeutet weniger Streuverluste, effizientere Kampagnenbudgets und verbesserte Conversion-Raten. Diese Prozesse laufen häufig automatisch im Hintergrund auf Plattformen wie Meta oder Google, sodass der Endnutzer oder Marketer davon meist nicht direkt etwas bemerkt.
Neben der automatischen Optimierung bieten Tools wie LinkedIn Accelerate, Google KI Tools oder Metas Advantage+ Möglichkeiten, Kampagnen schneller aufzusetzen und kleinere Anpassungen automatisiert vorzunehmen.
Hier gilt es aber auch kritisch zu hinterfragen. Oft sind manuell auf die Zielgruppe zugeschnittene Kampagnen noch immer deutlich performanter. Da KI-gesteuerte Optimierungen wie automatische Anpassungen an Texten, Bildern oder Sounds teilweise intransparent ablaufen, verlieren Marketer die Kontrolle und das Verständnis dafür, warum eine Kampagne besser oder schlechter performt. Sie werden dadurch zunehmend abhängig von der Plattform und können kaum eigenständiges Know-how aufbauen, um ihre Kampagnen aktiv selbst zu verbessern.
Auch die automatische Erstellung von Kampagneninhalten, basierend auf vorhandenen Webseiteninhalten, sollte kritisch beobachten werden. Während KI-generierte Texte oft noch gut übernommen werden können, ist dies bei visuellen Elementen deutlich schwieriger. Bilder und Videos müssen häufig strengen Designvorgaben (Corporate Design) entsprechen oder spezielle Formate und Inhalte berücksichtigen, etwa Hinweise auf Aktionen oder Preise. Diese Anforderungen können KI-Standardlösungen derzeit kaum zufriedenstellend erfüllen, was den manuellen Aufwand letztlich doch wieder erhöht.
Auch in der Verteilung von Inhalten entfaltet KI grosses Potenzial: Sie ermöglicht eine automatisierte, datenbasierte und personalisierte Ausspielung. So lassen sich etwa Newsletter oder Anzeigen gezielt auf Interessen abstimmen und zur richtigen Zeit am passenden Ort platzieren. Das reduziert Streuverluste, steigert die Conversion und verbessert den Return on Investment.
Gerade hier zeigt KI ihre Stärke: Durch Automatisierung und Personalisierung entstehen nachhaltige Effizienzgewinne – mit Vorteilen für Unternehmen und Kundschaft gleichermassen.
Im Bereich hoch individualisierter Werbung stossen KI-Lösungen derzeit an datenschutzrechtliche Grenzen. Tools wie Shopping- oder Catalog Ads von Google und Meta ermöglichen Personalisierung basierend auf anonymisierten Nutzersegmenten. Eine plattformübergreifende Ausspielung individuell zugeschnittener Creatives ist aus Datenschutzsichtaktuell kaum vertretbar, da sie eine eindeutige Identifikation Einzelner ermöglichen würde.
Anders sieht es bei Direct-to-Consumer Massnahmen wie personalisierten Newslettern aus. Hier hilft KI dabei, Inhalte gezielt auf die persönlichen Interessen der Empfänger zuzuschneiden, da Unternehmen hier direkte, eindeutig identifizierbare Merkmale wie E-Mail-Adressen mit Consent der Nutzer vorliegen haben. Dies ermöglicht tatsächlich eine relevante Personalisierung, die für Nutzer und Unternehmen gleichermassen wertvoll ist.
KI verändert nicht nur einzelne Arbeitsbereiche, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen. An den Schnittstellen von Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung eröffnet sie neue Möglichkeiten für schnelleren Austausch, datenbasiertes Arbeiten und effizientere Prozesse.
Vertrieb: Im Vertrieb hilft KI, Muster in Verkaufsdaten zu erkennen, Leads zu bewerten (Lead Scoring) und personalisierte Angebote sowie Follow-ups automatisiert zu erstellen. So entsteht eine fundierte Entscheidungsbasis entlang des gesamten Sales-Cycles.
Produkteentwicklung: In der Produktentwicklung unterstützt KI bei der Auswertung von Nutzerfeedback, etwa aus Support-Anfragen oder App Reviews, und hilft, Themen zu clustern und Verbesserungspotenzial zu erkennen. Auch bei der Ideenfindung – durch Trendanalysen oder die Simulation von Nutzungsszenarien – kann KI Impulse liefern. Die Bewertung bleibt aber klar in menschlicher Hand.
Marketing: Ein besonders spannender Aspekt ist die Rolle der KI als «Vermittlerin» zwischen Teams. Gerade an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb stellt die saubere Übergabe von Leads oft eine Herausforderung dar. KI kann hier automatisch relevante Signale auswerten, passende Leads identifizieren und direkt ins CRM oder an das Vertriebsteam übergeben – inklusive kompakter, automatisch erstellter Zusammenfassung. Das spart Zeit, minimiert Missverständnisse und ermöglicht schnellere Reaktionen.
Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, ein solides Verständnis dafür aufzubauen, wie KI funktioniert. Prompts werden oft noch zu ungenau oder nicht zielführend formuliert. Die Folge ist, dass die Resultate enttäuschen. Das liegt aber selten an der KI selbst, sondern daran, dass der Input nicht klar genug war. Deshalb ist es wichtig zu lernen, wie man präzise und kontextbezogene Prompts erstellt. Nur so lassen sich konsistente und brauchbare Ergebnisse erzielen.
Neben dem theoretischen Wissen ist es wichtig, dass Mitarbeitende die Möglichkeit bekommen, KI-Tools praktisch auszuprobieren. Bereits einfache Workshops können erste Aha-Momente auslösen. Noch wichtiger ist allerdings, dass es im Unternehmen die Bereitschaft gibt, mit neuen Methoden zu experimentieren. Dafür braucht es eine offene Unternehmenskultur, in der Neugier, Kreativität und auch das Zulassen von Fehlern einen festen Platz haben.
Wenn erste Erfahrungen gesammelt wurden, ist es sinnvoll, gezielt Prozesse zu identifizieren, die durch KI unterstützt oder optimiert werden können. Dabei kann ein internes Team die Umsetzung übernehmen oder externe Fachpersonen werden zur Unterstützung hinzugezogen. In beiden Fällen sollte darauf geachtet werden, dass die Lösungen nicht nur technisch gut funktionieren, sondern auch zum Team und zu den internen Abläufen passen.
Formate wie die Schulungen bei Digicomp bieten eine gute Möglichkeit, verschiedene Tools kennenzulernen und erste Anwendungsfälle zu entwickeln. Der grösste Mehrwert entsteht dabei durch das geschützte Lernumfeld, in dem man ohne Druck ausprobieren kann. Gleichzeitig fördern solche Programme den Austausch mit anderen Teilnehmenden, was oft zu neuen Perspektiven führt. Wichtig ist dabei, dass das neu gewonnene Wissen im Unternehmen weitergeführt und in die Praxis übertragen wird. Sonst bleibt es ein einmaliger Impuls ohne Wirkung.
KI im Marketing einzusetzen ist nicht nur eine Frage der Technik. Es geht darum, Menschen mit dem richtigen Wissen, der nötigen Offenheit und genügend Raum zum Lernen auszustatten. Wer das schafft, legt den Grundstein für eine erfolgreiche und nachhaltige Nutzung von künstlicher Intelligenz.
KI entfaltet ihr volles Potenzial dort, wo Prozesse bisher aufwendig, langsam oder datengetrieben waren. Sie ersetzt den Menschen nicht, sondern stärkt ihn – besonders an den Schnittstellen zwischen Teams. Wer KI gezielt einsetzt, schafft effizientere Abläufe, klarere Kommunikation und mehr Raum für strategische Arbeit.
Der Schlüssel liegt nicht in der Technologie selbst, sondern im klugen Umgang damit. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv mitgestalten, sichern sich einen echten Wettbewerbsvorteil.
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