Stephanie Züllig: «Wir haben zu wenig Frauen, die in verantwortungsvollen Positionen mitdiskutieren»
Stephanie Züllig berät Unternehmen in der digitalen Transformation. Das so erfolgreich, dass sie dafür den «Digital Female Leader Award» erhielt. Im Interview erklärt sie, warum wir in einer zunehmenden vernetzten und von AI und Algorithmen bestimmten Welt, Frauen und Männer gleichermassen mitwirken müssen.
Stephanie Züllig entwickelt Geschäftsmodelle im digitalen Zeitalter und setzt dabei auch auf die besonderen Stärken von Frauen. Aus einer Kleinunternehmerfamilie stammend war sie zunächst in der Baubranche tätig, dann in leitenden Positionen im Grosskonzern und im internationalen Smart Infrastructure Bereich.
Heute ist Stephanie Züllig Unternehmerin und als Verwaltungsrätin in den Bereichen Sicherheit, Real Estate, Mobilität, IT und intelligente Infrastrukturen unterwegs.
Mit ihrer Firma MindScale berät sie Unternehmen bei Digitalisierungsprojekten und ihrer Unternehmensstrategie und unterrichtet als Gast-Dozentin an der HWZ in Zürich. 2019 wurde sie mit dem «Digital Female Leader Award» ausgezeichnet, 2020 erhielt sie die Auszeichnung «Female Digital Innovator».
Frauen sind in der IT-Welt leider immer noch selten. Wie bist du in dieser Branche gelandet?
Das ist richtig. Ich selbst bin in unterschiedlichen Branchen gross geworden. Meine Karriere sehe ich als Abenteuer. Ich suche gerne die Herausforderungen und Tätigkeiten, die nie langweilig werden. Im Umfeld der Digitalisierung bieten sich für Frauen sehr gute Chancen den Einstieg oder den Wiedereinstieg in die IT zu finden, denn die IT zieht sich durch die komplette Digitalisierungs-Pyramide («Digitize, digitalize, transform.»). Wir alle leben bereits heute in einer vernetzten Welt und können uns der zunehmenden Vernetzung nicht entziehen. Unsere vernetzte Zukunft mitzugestalten, macht mir persönlich Freude und es benötigt viele Talente und auch mehr Frauen für eine erfolgreiche Umsetzung; konkret zum Beispiel den Aufbau von Vertrauen in IT-Tech und das Management eines funktionierenden Partnernetzwerks.
Welche Erfahrungen hast du in deinem Berufsleben gemacht? Wurdest du von deinen männlichen Kollegen ernst genommen oder musstest du dich erst behaupten?
Ich bin gemischte Teams und ein von Männern dominiertes Umfeld gewohnt. Als Frau werde ich in der Regel sehr ernst genommen, da ich nie unvorbereitet oder ohne klare Agenda das Spielfeld betrete. Grundsätzlich zählt Professionalität und unternehmerisches Verständnis. Und: Auch Männer müssen sich erst behaupten, denn ich finde gerade unter Männern ist der Konkurrenzkampf oft sehr hoch.
Hattest du ein Vorbild oder eine Mentorin/Mentor, die/der dich auf einem Weg unterstützt hat?
Ich bin ein Fan von Mentoring und agiere inzwischen selbst als Mentorin. Ich finde es wichtig Menschen auf ihrem Karriereweg zu begleiten und auch ein Sparring im geschützten Rahmen geben zu können. Wichtig ist, dass sich Mentor und Mentee verstehen. Zum Thema Vorbilder gebe ich den Rat, sich mit Personen zu umgeben, die einen persönlich inspirieren und Energie geben.
Arbeitest du lieber mit Männern oder Frauen zusammen? Wo liegen die Unterschiede in der Zusammenarbeit?
Beides gleichermassen, jedoch am liebsten in gemischten Teams. Der Unterschied zwischen Mann und Frau liegt im Geschäftsleben oft in der Kommunikation. Wenn ich zum Beispiel nur mit Männern in Besprechungen bin, verwende ich lieber kurze, sachliche Sätze. Unter Frauen können gerne auch mal mehrere Themen gleichzeitig diskutiert werden und Emotionen finden eher ihren Platz. Grundsätzlich fordere ich als Frau einen «Call-to-Action»-Plan nach einem Meeting.
Mit deinem Unternehmen MindScale berätst du Unternehmen in Sachen Digitalisierung. Spielen Frauen für dich in solchen Digitalisierungsprojekten eine besondere Rolle?
Frauen legen den Fokus verstärkt auf die Faktoren Mensch und Nachhaltigkeit. Beides sind wesentliche Erfolgsbausteine für eine digitale Transformation. Frauen bringen oft andere Perspektiven in die strategischen Diskussionen ein, die ich für sehr wertvoll halte. In Summe jedoch ergeben sich die Mehrwerte aus einer sehr guten Moderation und Führung eines diversen Teams, das verschieden Denkansätze akzeptiert und gemeinsam als strategische Stärke nutzt.
Du unterrichtest an der HWZ in Zürich und begleitest junge Menschen auch als Mentorin. Welche Unterschiede stellst du in dieser Tätigkeit zwischen jungen Frauen und Männern fest? Und wie überbrückst du diese?
Männer trauen sich mehr zu und netzwerken besser. Frauen benötigen oft mehr Zuspruch und Ermutigung auch einmal etwas zu riskieren. Mentoring ist grundsätzlich eine sehr individuelle Angelegenheit, je nach Lebensphase und Zielplanung. An der HWZ bin ich als Gastdozentin unter anderem im EMBA Digital Leadership dabei. Führung ist anspruchsvoller und vielseitiger geworden. Gerade zum Beispiel das Management eines digitalen Eco-Systems benötigt neue Skills (Zuhören, Empathie, Feinfühligkeit) sowie den Umgang mit Komplexität. Alles was Frauen mehrheitlich gerne tun. Für die aktuellen Herausforderungen benötigen wir eine Bündelung der Kräfte und nicht die Diskussion, was Mann oder Frau je besser können.
Du möchtest insbesondere Frauen ermutigen, eine führende Rolle in der Geschäftswelt zu übernehmen. Was machen Frauen in Führungspositionen anders als Männer? Und warum ist es deiner Meinung nach so wichtig, dass mehr Frauen Führungsaufgaben übernehmen?
Wir haben zu wenig Frauen, die in verantwortungsvollen Positionen mitdiskutieren. Das birgt die Gefahr, dass die (digitale) Zukunft mehrheitlich von Männern entschieden wird und die Bedürfnisse der Frauen sowie verschiedene Herangehensweisen nur teilweise berücksichtigt werden können. Im digitalen Umfeld, Stichwort Algorithmen und Artificial Intelligence müssen Frauen und Männer gleichermassen mitwirken. Das ist Fakt und sollte nicht mehr diskutiert werden.
Welchen Rat möchtest du Frauen mitgeben, die den Start oder Quereinstieg in die IT-Branche wagen?
Einen klaren Plan zu haben und Beharrlichkeit an den Tag legen. Nicht gleich aufgeben, wenn etwas nicht ganz optimal läuft. Frauen sollten sich fragen: Was kann ich gut, was möchte ich erreichen und warum? Welchen Mehrwert kann ich zu welchem Thema bieten und ganz wichtig: Wo ist das Umfeld bzw. die richtige Firma, die mich und meine Talente sieht, schätzt und diese fördert.
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