UI… ujujuj… oder «pfui»? Wenn das User Interface gegen uns arbeitet

Nicht alles, was sich technisch umsetzen lässt, ist auch wirklich userfreundlich. Web-Experte Alex Kereszturi zeigt uns 3 User-Interface-Features, bei denen sich ein wohlüberlegter Einsatz lohnt.

Autor/in Alex Kereszturi
Datum 04.12.2019
Lesezeit 9 Minuten

Meine Französischkenntnisse haben zwar gerade mal so gereicht, die Maturitätsprüfungen zu bestehen, aber auf eines war ich schon als Teenager stolz: ich wusste, was «l’art pour l’art» bedeutet. Die Kunst um der Kunst willen.

Mit dem griechischen Ausdruck «Autotelie» könnte man das in einem Wort zusammenfassen. Wahrscheinlich würden viele aber Auto-Teile lesen und wären dann von folgendem Inhalt leicht enttäuscht.

In diesem Blog-Beitrag geht es nämlich nicht um Autozubehör – auch wenn sich da gute Analogien finden lassen würden – , sondern um gute bzw. nicht so gute User-Interface-Elemente.

Mache Entwickler bauen nämich UI-Elemente einfach um der UI-Elemente-Willen in ihre Anwendungen ein. Warum das keinen Sinn macht und ein paar entsprechende Fehl-Überlegungen als Negativbeispiele gibt’s in diesem Blogbeitrag.

Erst einmal das Problem: Wie definiert man «gut»?

Um hier nicht ins Philosophische abzuschweifen, mache ich es kurz: Wie «gut» definiert ist, hängt einzig und allein davon ab, wie es definiert wird. Das klingt jetzt etwas blöd, ist aber tatsächlich so.

Machen wir ein Beispiel: Wollen Sie ein «gutes» Auto kaufen, dann sind Sie alleine die Person, die definiert, was «gut» genau ist! Ist «gut» für Sie ein sparsames Auto oder eines mit vielen Sitzplätzen? Wollen Sie lieber einen Diesel oder ein Elektroauto? Wenn Sie viele und schwere Waren zu transportieren haben, ist ein PickUp «gut». Wenn Sie in der Stadt schnell und wendig einen Parkplatz finden wollen, ist ein PickUp eher «nicht gut» geeignet.

Tja, was ist also «gut»? Ist «gut», das was nützlich ist? Ist «gut», das was moralisch «richtig» ist?

Die Antwort finden wir nur, wenn wir unsere Ziele kennen! Stellen Sie sich also immer wieder die Frage:

«Welches Ziel wollen wir (mit unserer Webseite) erreichen?»

Ist Ihr Ziel, zu zeigen, dass Sie in der Lage sind möglichst tolle Gadgets auf Ihrer Website einzubauen? Dann brauchen Sie nicht mehr weiter zu lesen. Geht Ihr Ziel aber eher in Richtung der Kundengewinnung oder des Umsatz-Generierens, könnte Sie das Folgende interessieren.

Eine Lösung: Gebrauchstauglichkeit

Wann taugt ein User-Interface?

Dieser Frage verpflichtet haben sich die Anhänger des «User Centered Design» – zu deutsch etwa «Nutzerorientierte Gestaltung» – welche gemäss Wikipedia «den (zukünftigen) Nutzer eines Produktes mit seinen Aufgaben, Zielen und Eigenschaften in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses» stellen.

Und wieder sind es die Ziele – dieses Mal jene des Nutzers – welche definieren, was «gut» ist! Aus Erfahrung weiss ich, dass Entwickler dazu neigen, ganz genau zu «wissen», was gut für die User ist. Oft ein Trugschluss.

Mein Ziel ist auch dein Ziel!?

Eines meiner Lieblingsbeispiele, das zeigt, wie weit die Ziele der Designer von jenen der Nutzer entfernt sein können, dies finden Sie hier.

Dabei handelt es sich (zum Glück) lediglich um ein Experiment.

Es zeigt aber wunderbar, was passieren kann, wenn man den Nutzer aus dem Blickfeld verliert und Design bzw. Entwicklung um seiner selbst Willen betreibt

Stellen Sie sich vor, der Kunde bzw. der Benutzer würde Ihnen jedes Mal CHF 0.10 bezahlen, wenn er erfolgreich die Lautstärke einstellen konnte. Sie würden es ihm doch so einfach wie möglich machen, dies erfolgreich zu tun… oder?

Dass z.B. auf Websites nicht jeder Designer so denkt, zeigen die folgenden Fehl-Überlegungen.

3 Beispiele für falsch überlegtes UI:

Fehlüberlegung 1: Carousels sind toll

Heute findet sich beinahe keine grössere Website, die etwas auf sich hält, ohne Bilder-Slide-Karussell. Wahrscheinlich ist das anschauliche Wunderwerk so beliebt unter den Designern, weil wir uns gern daran erinnern, wie wir als Kinder mit dem Karussell gefahren sind.

carousel

Einen wirklichen Nutzen bei der Gewinnung von Kunden oder dem Generieren von Umsatz haben sie nämlich erwiesenermassen keinen!

Wollen Sie die witzige Zusammenfassung, dann klicken Sie hier.

Wollen Sie es nüchtern, dann empfehle ich Ihnen hier draufzudrücken.

Damit wir uns richtig verstehen: Wenn Sie Ihre Besucher mit einer Bilder-Show unterhalten möchten, spricht nichts gegen eine schöne animierte Dia-Show.

Fehlüberlegung 2: Mehr ist besser

Ich kann mich noch erinnern, wie ich um die Jahrtausendwende herum, in Webdesign-Kursen den Teilnehmenden ans Herz gelegt habe, Bilder nicht schwerer als 15KB abzuspeichern, da sonst die Besucher der Website zu lange warten müssten. Ich habe anno dazumal eine Wartezeit-Toleranz von 20 bis 30 Sekunden als Richtwert genommen.

Diese Toleranzgrenze ist bis heute (=bald 2020) dank Internetleitungen mit hohen Geschwindigkeiten massiv gesunken.

Wollen wir es heute genau wissen, wie sich die Ladezeit auf das Verhalten der Besucher auswirkt, lohnt sich hier einen klick

Mit meinen 20 bis 30 Sekunden aus dem letzten Millenium war ich 10 mal langsamer unterwegs als heute zu empfehlen. Je länger die Besucher nämlich warten müssen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie abspringen.

Somit (Zitat aus der oben verlinkten Webpage): «No matter what, faster is better and less is more.» Kurz: Schneller ist besser und weniger ist mehr!

Dass hier auch der Satz «Zeit ist Geld» effektiv stimmt. Die Zusammenfassung hier als Bild:

3. Fehlüberlegung: PopUp-Meldungen helfen Besucher zum Bleiben zu bewegen

Kennen Sie das: Sie verirren sich auf eine Website und sobald Sie das Browser-Tab schliessen wollen, erhalten Sie ein Pop-Up vor die Nase geknallt, welches Sie einlädt doch unbedingt zu bleiben und von 10% Rabatt oder einem kostenlosen E-Book zu profitieren?

Die Idee ist grundsätzlich gut. Jedoch bei der Umsetzung (viel zu) oft nicht ganz zu Ende gedacht.

Die Gehirne  haben das nämlich einmal sauber getestet und zeigen können, dass es sich lohnt, zu messen, wie viel Zeit ein User bereits auf einer Seite verbracht und wie weit er schon gescrollt hat, bevor man ihm (einfach so) ein PopUp vorsetzt. Aus den Zeit- und Scroll-Angaben kann man nämlich berechnen, welche Art von «Hey, bleib doch noch!»-Nachricht am ehesten anzuzeigen es sich lohnt.

Ein wunderbares Beispiel, dass ein UI-Element alleine noch keine Conversion macht!

Fazit

Abschliessend sei (nochmals) angemerkt: Grundsätzlich ist nichts gegen die drei oben erwähnten UI-Elemente auszusetzen

  • Ein Carousel kann an einer bestimmten Stelle des Bildschirms mehrere Bilder und/oder Texte nacheinander darstellen. Das kann sehr sinnvoll sein, wenn der Benutzer diese Infos abzuwarten bereit ist oder sich gern durchklickt.
  • Viele Elemente, hochauflösende Bilder, Videos und ladeintensive Geadgets sind nett anzusehen und so lange man damit dem «Above the fold»-Konzept (wie z.B. unter www.abtasty.com/de/blog/above-the-fold-vs-below-the-fold/ beschrieben) nicht entgegenarbeitet und die Ladezeiten «im Griff» hat, im wahrsten Sinne des Wortes gern gesehen.
  • PopUps und Modals sind geeignet, um unschlüssige Besucher doch noch zum Bleiben zu bewegen. Beim Einsatz ohne Nachdenken, kann der Schuss aber nach hinten losgehen.

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Autor/in

Alex Kereszturi

Alex Kereszturi ist Web Solution Developer der ersten Stunden, Trike-Fahrer und Hobby-Psychologe. Als einer der ersten «Webpulisher SIZ» und als «Adobe Certified Instructor» entwickelt er seit seinem 15. Lebensjahr Lösungen für das WWW, Mobilgeräte und andere Lebenslagen. Er ist seit bald 25 Jahren Kursleiter bei Digicomp, liebt das Sein in der Natur und setzt bei seinen Schulungen auf einen guten Mix aus Information, Praxisübungen und Unterhaltung. Als Inhaber und CEO führt er die Smilecom GmbH als ein kleines aber feines Software-Entwicklungs-Unternehmen und immer wieder ein turbulentes Familienleben mit drei Töchtern.