Digitale Transformation der Arbeitswelt (9): Die Arbeitszeiten

Arbeitszeit, persönliches Zeitmanagement, permanente Verfügbarkeit & Burnout sind Themen, die mit der digitalen Transformation verstärkt an Bedeutung bekommen. Lesen Sie, wie Daniel und Luca damit umgehen…

Autor/in Agnieszka Rychlewska
Datum 15.11.2018
Lesezeit 6 Minuten

In den Führungsleitsätzen eines Automobilherstellers stand noch bis vor Kurzem: «Achten Sie darauf, dass der Mitarbeiter pünktlich erscheint». Im Laufe der kulturellen Transformation hat dieses Unternehmen mittlerweile sein Leitbild aktualisiert. Jetzt werden die Führungskräfte ermutigt, ihren Mitarbeitenden zu Vertrauen, mit der Begründung: «Vertrauen setzt Kräfte frei».

Warum diese Veränderung?

Um das zu verstehen, lohnt es sich zuerst einmal einen Rückblick zu machen, wie sich der Begriff «Arbeitszeit» in der Menschheitsgeschichte gewandelt hat.

Denn nicht immer waren die Zeiten der Arbeit und des Lebens so stark getrennt wie heute. Früher war Arbeit doch einfach ein integraler Bestandteil des Lebens, z.B als wir Jäger und Sammler waren oder uns mit Handwerk befasst haben. Arbeitsplatz und Wohnplatz haben nebeneinander koexistiert und der Mensch war für die eigene Arbeitszeit verantwortlich.

Erst im Industriezeitalter hat sich alles verändert. Mehr und mehr Menschen haben in Fabriken gearbeitet und die Arbeit wurde auf einmal ganz vom alltäglichen Leben getrennt. Diese Arbeit war sehr stark an einen Arbeitsort (die Fabrik) gebunden. Dabei hing die Produktionsleistung direkt von der Arbeitszeit ab, d.h. je länger man gearbeitet hat, desto mehr hat man produziert.

Gilt das immer noch?

Herausforderung: Zeit

Aus gegebenem Anlass unterhalten sich nun Daniel und Luca in der Kaffeeküche zu einem ähnlichen Thema…

«Daniel, darf ich fragen, was mit Urs passiert ist? Er kommt ja schon länger nicht mehr ins Büro…», fragt Luca besorgt.

«Ja, leider ist Urs krankgeschrieben und leidet an Burnout. Es war ihm in letzter Zeit alles zu viel.», antwortet der Vorgesetzte, genauso besorgt.

«Oh das tut mir leid. Es sind schon so viele, die an Burnout leiden! Woher kommt das überhaupt?»

«Ich bin auch kein Experte, aber was ich beobachten kann, ist dass es eher dann kommt, wenn Arbeitszeit und Freizeit nicht klar getrennt werden. Und mit dem Überfluss an Informationen, den wir heutzutage erleben, muss man Stopp sagen, sonst wird man nie fertig.»

«Dann wird dich sicher interessieren, was ich auf Twitter gefunden habe! Schau mal…». Luca zeigt Daniel ein Bild auf seinem Smartphone. «Das ist alles, was in einer Minute im Internet passiert. Kein Wunder, dass es uns allen zu viel erscheint!»

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«Ja genau, das ist ein gutes Beispiel.» Daniel schaut sich das bunte Bild an. «Der Informationszuwachs stärkt den Druck und bedeutet ständige kognitive Überlastung. Durch die ständige Verfügbarkeit kommt man nie zur Ruhe. Wozu das oft führt? Man arbeitet immer mehr und hat das Gefühl, der Arbeit immer hinterher zu rennen und nie wirklich fertig zu werden.»

«Das macht doch keinen Sinn. Mit mehr Arbeitszeit wird die Leistung ja nicht besser. Können wir sagen, dass man mit mehr Zeit mehr Ideen hat? Oder bessere Ideen? Oder man weniger Fehler macht? Wohl kaum…»

«Ja genau. Das verstehst du gut, weil du einer Generation angehörst, die mit dieser Art von Arbeit aufgewachsen ist. Früher, als die Informationsflüsse noch übersichtlich waren und man nicht so viel Ablenkung hatte, konnte man eigentlich schon sagen, dass man mit mehr Zeit mehr geleistet hat».

Kontrolle über die eigene Zeit

«Es geht ja um die Kontrolle über die eigene Zeit… und Zeit ist unsere wertvollste Ressource. Egal was wir machen, man kann sie nicht zurückgewinnen. Deswegen lohnt es sich, diese effizient zu nutzen.» Trotz seinem jungen Alter macht Luca manchmal ganz weise Beobachtungen.

«Das sagst du ganz richtig. Was früher durch eine klare Abgrenzung von Arbeitsplatz geschehen ist, muss heute oft in Eigenverantwortung geschehen.»

«Ich kenne einige Beispiele. Manche Unternehmen blockieren bereits den Zugang zur geschäftlichen Kommunikation ausserhalb der Arbeitszeiten. Ich habe sogar von einem Unternehmen gehört, das seine Mitarbeitende dafür bezahlt, dass Sie Urlaub nehmen!»

«Das ist ja interessant», sagt Daniel. «Lass uns schauen, was wir von ihnen lernen können.»

Wie ist es bei Ihnen?

Haben Sie Mitarbeitende im Team, denen auch alles zu viel ist? Oder sind Sie selbst davon betroffen? Der Begriff des Time Management ist ein alter Begriff, doch bekommt er im digitalen Zeitalter eine andere Bedeutung mit viel mehr Gewicht. Auf einmal geht es nicht mehr nur um Führungskräfte, die ihre Zeit «managen» müssen – alle Mitarbeitenden sind gefordert, Kontrolle über die eigene Zeit zu gewinnen und Verantwortung zu übernehmen.

Dabei sind drei Punkte besonders wichtig:

  1. Klare Ziele und Disziplin bei deren Verfolgung: Wie beim Autofahren – auch wenn man unerwartet vom Weg abkommt, schnellstmöglich zur richtigen Route zurück kehren.
  2. Unternehmerisches Denken und Handeln: Langsam kommt das Arbeitsbild eines Unternehmers zurück, wie es in der vorindustriellen Zeit vorherrschte und indem die Mitarbeitenden sich wieder vermehrt selbst organisieren müssen.
  3. «Nein» sagen lernen: Es ist uns oft unangenehm, «nein» zu sagen. Doch man muss es lernen, um im digitalen Zeitalter voranzukommen. Am einfachsten geht es, wenn man sich bewusst macht, dass man nicht zu der Person, sondern zur Aufgabe «nein» sagt. Wenn man zu allem «ja» sagt, sagt man oft zu einigem «nein», das einem wichtig ist, z.B. Familie, Hobby, Erholung.

Und… lassen Sie sich nicht entmutigen. Jede grosse Reise beginnt mit einem ersten Schritt.


Autor/in

Agnieszka Rychlewska

Für Agnieszka sind Menschen die wichtigste Ressource jeder Organisation und eine aktive Lernkultur die sicherste Erfolgsstrategie im Digitalzeitalter. Mit ihren interaktiven, teilnehmerzentrierten Kursen und Webinaren kommt sie dieser Bedürfnis entgegen und befähigt die Teilnehmer, das Gelernte rasch ins Tagesgeschäft umzusetzen.