Charismatische Führung – einer besonderen Gabe auf der Spur
Dass Charisma eine grundsätzlich herausragende und häufig gewinnbringend einsetzbare Eigenschaft ist, scheint unbestritten, und die Vermittlung von Sinn, das Geben von Halt sowie die empathische Begleitung von Veränderung noch nie so wichtig wie heute. Lesen Sie dazu den Artikel von Digicomp-Experte Christopher Schneider
Charismatische Führungskräfte scheinen besonders gut viele Mitarbeitende in ihren Bann zu ziehen. Denn sie schaffen es, ein besonderes Führungserlebnis zu kreieren, welches den Mitarbeitenden das Gefühl gibt, Teil eines grossen Ganzen zu sein.
Kein Wunder, wenn man sich anschaut, welche Facetten dem Charisma zugeschrieben werden: Gnade, Weisheit, Erfüllung, Sinn und Vision sind Aspekte, welche immer wieder in Verbindung mit charismatischer Führung genannt werden. Fragt man nach Beispielen von charismatischen Führungskräften der neueren Zeit, so fallen immer wieder Namen wie Michelle und Barack Obama, Steve Jobs oder Richard Branson.
Glückssache Charisma?
Häufig wird behauptet, dass Charisma ein Glücksfall sei, sei diese Eigenschaft doch angeboren und nicht erlernbar. Doch schaut man sich an, was Charisma tatsächlich ausmacht, ergibt sich ein differenziertes Bild:
- Starke Kommunikatoren
Charismatiker finden die richtige Sprache für ihr Gegenüber und können sich auf Zielgruppen einstellen. - Visionäre
Charismatiker wissen, was sie wollen und verfolgen ihre Ziele konsequent. Dabei gelingt es ihnen, andere von ihren Vorstellungen zu überzeugen und sie «ins Boot» zu holen. - Empathische Partner
Charismatiker können sehr gut Emotionen erfassen und damit ihr Gegenüber über die rationale Ebene hinaus ansprechen. - Selbstbewusste Ausstrahlung
Charismatiker strahlen eine natürliche Überzeugung aus. Sie sind überzeugt von ihrem Können, und ihr Auftritt wirkt dadurch überzeugend. - Anspruchsvolle Erwartungen
Charismatiker erwarten viel von ihrem Umfeld, schenken ihm aber auch viel Vertrauen und ermutigen es im Rahmen der Zielerreichung.
Diese Merkmale mögen sehr wohl mit Veranlagung zu tun haben und bei der Geburt ungleich verteilt sein. Aber sie sind doch ein stückweit auch erlernbar. Aktives Zuhören, ein differenzierter Ausdruck, die Steigerung von Selbstwertgefühl, das Formulieren von Visionen oder vertrauensvolle Führung sind Themen in unzähligen Weiterbildungsangeboten.
Angst und Sinn als wichtige Treiber
Genauso wie charismatische Führungskräfte eine grosse Anhängerschaft haben, so gibt es auch immer Menschen in ihrem Umfeld, welche ihre Ziele und Vorgehen und damit die Führungsperson ablehnen. Allerdings lässt sich niemals das Charisma selbst ablehnen, sondern lediglich die durch die charismatische Führungskraft verfolgten Zielsetzungen. Das Spezielle an charismatischer Führung ist, dass sie ein Sinnangebot macht, also verspricht, dass die propagierten Ziele einen Beitrag an eine «gute Sache» darstellen und die Mitarbeit an dieser Sache geboten ist. Sinnangebote funktionieren jedoch nur dann, wenn die Mitarbeitenden ein Mangelempfinden haben. Es erscheint nur richtig, der Führungskraft zu folgen, wenn sie die Lösung von Problemen oder die Beseitigung von als unangenehm empfundenen Mängeln beseitigen kann und sinnvoll erscheinende Alternativen anbietet. Dies gilt insbesondere dann, wenn identitätsstiftende Strukturen mit stabilisierendem Charakter fehlen, z.B. Prozesse, Unternehmenswerte oder Rituale.
Charisma kann auch blind machen
Die Versuchung, Unternehmensziele aus den Augen zu verlieren und diese durch persönlichen Ziele zu ersetzen, ist ein mögliches Risiko charismatischer Führung. Darüber hinaus können Mitarbeitende ebenso versucht sein, «blind» zu folgen, d.h. ohne kritisches Hinterfragen die durch die Führungskraft gemachten «Sinnangebote» anzunehmen, unreflektiert dem Zauber des Charismas zu folgen und für sich persönlich möglicherweise damit eine nicht optimale Strategie zu akzeptieren.
Ist charismatische Führung gleich transformationale Führung?
Charismatische Führung scheint besonders gut in schwierigen und unsicheren Zeiten zu funktionieren, wenn Mitarbeitende nach Halt und Orientierung suchen. Ist charismatische Führung also gleich transformationale Führung? Betrachtet man transformationale Führung eher als das Ergebnis von Führung, so wird klar, dass Charismatiker als gute Führungskräfte eher Transformation begünstigen, weil sie gut ermutigen, vertrauen und Sinn stiften können. Charismatiker schaffen es, Bereitschaft für Transformation zu erzeugen, weil die Geführten Zutrauen schenken.
Charisma und gute Führung
Dass Charisma eine grundsätzlich herausragende und häufig gewinnbringend einsetzbare Eigenschaft ist, scheint unbestritten. Doch bedeutet dies keineswegs, dass nicht-charismatische Menschen schlechte Führungskräfte sind. Charisma ist nicht die eine Eigenschaft, welche erfolgreiche Führungsarbeit ermöglicht. Stabilität und Halt in unsicheren Zeiten können auch andere Eigenschaften erzeugen, und eine charismatische Führungskraft, die es nicht schafft, nach einer Restrukturierung die nötigen Institutionen und Prozesse zu implementieren, ist möglicherweise keine gute Führungskraft. Allerdings sind charismatische Führungskräfte in Zeiten von immer kürzeren Veränderungszyklen und dauerhaft gefühlter Unsicherheit sicherlich wichtige Unterstützer für Organisationen in Umbruchphasen. Vielleicht waren die Vermittlung von Sinn, das Geben von Halt sowie die empathische Begleitung von Veränderung noch nie so wichtig wie heute.
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