Digitale Transformation der Arbeitswelt (5): Karrierewege
Wenn Sie Mitarbeiter binden wollen, versuchen Sie ihre individuellen Präferenzen, Stärken und Schwächen zu verstehen. Fördern Sie ihre Mitarbeiter, indem Sie sie involvieren. Lesen Sie dazu das Beispiel von Daniel und Luca.
In den letzten drei Artikeln haben wir uns mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und Führung beschäftigt. Schauen wir uns in diesem Blog doch genauer an, was dies für die Karrierewege einzelner Mitarbeiter bedeutet.
Neuer Karrierebegriff
Wer früher Karriere machen wollte, musste möglichst schnell auf der unternehmens- oder branchenspezifischen Karriereleiter aufsteigen. Ein wesentliches Merkmal war, dass das Aufsteigen proportional zur Dienstdauer in der Organisation erfolgte. Man ging davon aus, dass je mehr Erfahrung, desto mehr Wissen und Kompetenzen ein Mitarbeiter hat, umso mehr Verantwortung er übernehmen kann.
In hierarchisch aufgebauten Strukturen hat das auch sehr gut funktioniert, doch in der heutigen dynamischen und sich schnell verändernden Welt wird die Frage nach der Verantwortung zunehmend herausfordernd.
Eine Geschichte
Um das zu illustrieren, möchte ich Sie gerne einladen, sich die Karriere von zwei Schweizer Arbeitnehmern anzuschauen: Daniel und Luca.
Daniel ist Mitte 40 und ausgebildeter Bankkaufmann. Nach seiner KV-Lehre bei einer Bank hat er dort als Assistent eines Kundenberaters angefangen. Später ist er selber Kundenberater geworden und leitet jetzt ein eigenes Team.
Luca ist Ende 20 und hat Wirtschaftswissenschaften studiert. Während des Studiums hat er ein Auslandssemester in China verbracht, Praktika in einer Bank und in einem Beratungsunternehmen absolviert und an drei verschiedenen Startup-Projekten mitgearbeitet. Nach dem Studienabschluss hat er knapp ein Jahr zusammen mit zwei Studienkollegen in einem Fintech-Startup gearbeitet, doch mussten sie mangels Finanzierung diese Tätigkeit einstellen.
Nun kommt Luca zu Daniel ins Team …
Zwei Welten stossen aufeinander
Auch wenn die beiden Herren gerade am selben Ort sind, sind die Wege, die sie dort hingebracht haben, ganz unterschiedlich.
Als Daniel damals die Entscheidung über seinen beruflichen Weg traf, musste er nicht lange überlegen. In seinem Ort gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder konnte er Logistiker werden oder Bankkaufmann. Und weil er sich lieber in modernen Büros als in Lagerhallen aufhalten wollte, hat er sich für die Bankkarriere entschieden. Eine Stelle bei der Bank versprach zudem ein sicheres Einkommen und Daniel hatte dort gute Aussichten auf ein stabiles Leben.
Luca hat sich für ein Wirtschaftsstudium entschieden, weil er sich nicht für einen spezifischen Beruf festlegen wollte. Seine Interessen waren sehr vielfältig, er hatte immer viele Ideen und es war ihm wichtig, dass er in seinem zukünftigen Beruf seine Ideen verwirklichen kann. Er hatte das Gefühl, dass ihm alle Türe offen stehen und er alles ausprobieren kann. Die neue Stelle in Daniels Team sieht er als einen wichtigen Schritt in seiner Karriere – doch nicht als Endstation. Er lässt sich viele Türen offen – er lernt in der Freizeit mehr über neue Technologien, besucht an Abenden Networking-Events und ab und zu nimmt er sogar einen Tag frei, um an einer Weiterbildung oder einer Konferenz teilzunehmen.
Das ist für Daniel schwer zu fassen. Für ihn war das Lernen mit der Berufslehre grösstenteils abgeschlossen. Er hat zwar eine Weiterbildung besucht, als er Teamleiter wurde, das war aber spezifisch für seine neue Rolle gefragt. Luca lernt hingegen vieles über alles Mögliche, auch wenn es mit seinen Aufgaben im aktuellen Job gar nichts zu tun: künstliche Intelligenz, Machine Learning, Blockchain, Internet of Things … Viele von diesen Begriffen hat Daniel früher nicht mal gekannt!
Er überlegt – nimmt Luca seinen Job überhaupt ernst, wenn er sich neben seiner eigentlichen Aufgabe noch mit so vielen anderen Dingen beschäftigt?
Die Konfrontation
Er beschliesst, es herauszufinden. Beim nächsten Jahresgespräch nimmt er das Thema auf.
«Luca, ich bin sehr zufrieden mit deiner Leistung. Du hast dich gut in das Team integriert und auch von den Kunden höre ich immer wieder Gutes über dich.»
«Danke, Daniel, das freut mich zu hören.»
«Gerne. Doch eine Sache ist mir aufgefallen, die ich gerne mit dir besprechen möchte. Ich überlege mir, ob du deinen Job überhaupt ernst nimmst.»
«Wie meinst du das?», fragt Luca, ehrlich überrascht.
«Ich habe gemerkt, dass du viel Zeit mit Lernen und Netzwerken verbringst.»
«Ja, das stimmt … Was ist daran falsch?»
«Naja, es sieht danach aus, dass du dich bereits nach einem neuen Job umschaust.»
«Warum sollte ich? Es gefällt mir hier sehr gut. Es ist mir aber bewusst, dass ich ich nicht mein ganzes Leben hier verbringen werde. Denn der Job, den ich jetzt mache, wird höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahren automatisiert bzw. von künstlicher Intelligenz übernommen. Eine Oxford-Studie sagt sogar, dass in 25 Jahren 47% der Jobs verschwunden sein werden. Darum möchte ich mich weiterentwickeln und auf dem Laufenden bleiben!»
Nun fängt Daniel an, zu begreifen. Für Luca scheint die persönliche Weiterentwicklung sehr wichtig zu sein. Er erinnert sich, dass ein Mitarbeiter in seinem Team kürzlich gekündigt hat, weil er woanders «bessere Entwicklungsmöglichkeiten» fand. Sicher möchte Daniel nicht noch Luca aus dem gleichen Grund verlieren.
Deswegen fragt er:
«Ok, ich verstehe. Für dich ist Weiterentwicklung wichtig. Und kannst du es hier in unserem Team nicht erreichen?»
«Das ist sehr schwierig. Wie wir hier arbeiten, ist noch sehr altmodisch. Die Innovationen, von denen ich in meiner Freizeit lerne, könnten hier gar nicht funktionieren.»
«Lass uns mal versuchen. Setzen wir uns jeden Monat zusammen und überlegen uns, wie wir unsere Arbeitsumgebung moderner gestalten können. Wäre das etwas, zu dem du beitragen möchtest?»
«Ja, sehr gerne sogar!», antwortet Luca ganz enthusiastisch.
Neue Werte
Diese kleine Geschichte soll illustrieren, wie stark sich die Karrierewege von früher und heute unterscheiden und welche unterschiedliche Motivationen die Menschen antreiben. Früher war für die Mitarbeiter Sicherheit wichtig. Wenn man sich einmal für einen Beruf entschieden hat, ist man oft dem Arbeitgeber lebenslang treu geblieben. So war die Karriere innerhalb einer Branche für alle gleich, und «geradlinig»: Oft war die Berufslehre das Fundament und mit mehr Erfahrung ist man die Karriereleiter hoch gestiegen.
Jetzt kann man die eigene Karriere viel flexibler und vor allem auch individueller gestalten – auch unternehmens- und branchenübergreifend. Man schaut mehr auf seine persönliche Entwicklung und verlässt sich nicht so stark auf ein bestimmtes Unternehmen. Es hat einerseits mit dem schnellen technologischen Fortschritt zu tun, mit dem immer neue Jobs dazukommen und alte verschwinden. Andererseits sind sich viele Mitarbeiter bewusst, dass kein Unternehmen wirklich Sicherheit bieten kann und man ständig von neuen Entlassungswellen hört. So stellen sich die Mitarbeiter einen eigenen, individuellen Weg zusammen, bei denen die persönlichen Präferenzen eine grosse Rolle spielen.
Was heisst das für Sie?
Wenn Sie also Ihre Mitarbeiter binden wollen, versuchen Sie deren individuellen Präferenzen, Stärken und Schwächen zu verstehen. Wenn Sie z.B. proaktive Mitarbeiter wie Luca haben, fördern Sie sie und lassen Sie sie einen Beitrag zum Unternehmen leisten. Nehmen Sie das Beispiel von Daniel, der Luca involviert hat, um die gemeinsame Arbeitsumgebung moderner zu gestalten.
Achten Sie darauf, wie Ihre Mitarbeiter ihre Aufgaben erledigen und geben Sie ihnen Feedback, ohne auf das jährliche Beurteilungsgespräch zu warten. Eine höchst wirksame Feedback-Methode ist, zuerst das Positive anzuerkennen, und anschliessend Verbesserungsvorschläge zu machen. Fangen Sie beim Feedback nie mit Negativen, denn dann ist der Mitarbeiter demotiviert.
Und wenn Sie erfahren möchten, wie es Daniel und Luca weitergeht und wie ihnen ihr gemeinsames Projekt gelingt, lesen Sie den nächsten Beitrag der Blogserie.
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