Kanban-Methode: from push to pull
KANBAN ist weit mehr als eine Methode zur Prozessoptimierung. Richtig angewendet verändert sie, wie Teams arbeiten, entscheiden und Verantwortung übernehmen. Erfahre, wie das Pull-Prinzip Eigeninitiative stärkt, Hierarchien auflockert und Unternehmen agiler macht – und wo Fallstricke lauern.
Der Einsatz von KANBAN hilft dir, Arbeitsmengen zu visualisieren und zu allozieren, dies ist eine der Stärken der Methode. Betrachtet man streng hierarchisch organisierte Unternehmen, so werden die Arbeiten von der nächsthöheren Stelle delegiert. Dies führt häufig zu ungleichmässigen Arbeitsmengen, Unzufriedenheit aufgrund der Fremdbestimmung sowie dem falschen Einsatz von Kompetenzen. Ein weiterer Punkt ist die Bekanntgabe von Terminen. In einer hierarchischen Organisation werden dir Deadlines sehr detailliert vorgegeben und führen mitunter zu unrealistischen Szenarien und unnötiger Hektik. Nicht immer lässt sich dieser Umstand vermeiden, doch viele Probleme sind auch hausgemacht.
Des Weiteren kann die Hierarchie dazu führen, an Flexibilität sowie Agilität zu verlieren, doch genau das sind zwei organisationale Kompetenzen, die in einer sich schnell ändernden Welt äusserst relevant sind. Wenn du die KANBAN-Methode rein in diesem Kontext nutzt, wird nicht das volle Potenzial der Methode für die Unternehmung ausgeschöpft und das Ganze verkümmert zu einer etwas besseren To-Do-Liste.
Der KANBAN-Regelkreis
Betrachtet man ein klassisches KANBAN-Board aus der Softwareentwicklung, so lässt sich dies mit einem klassischen KANBAN-Regelkreis aus dem Produktionsprozess vergleichen.

Dabei funktionieren KANBAN-Regelkreise nach dem Pull-Prinzip. Das heisst, wenn du aus einem KANBAN-Behälter beispielsweise Rohmaterial entnimmst und der Bestand dadurch unter den erforderlichen Sicherheits-/Mindestbestand fällt, wird der Wiederbeschaffungsprozess ausgelöst. Die dafür relevanten Informationen befinden sich auf der KANBAN-Karte für den KANBAN-Behälter. Ähnlich verhält es sich mit dem KANBAN-Einsatz im Bürobereich.
Die Regelkreise Analysis oder Development, wie im oben gezeigten Beispiel, werden durch die Pull-Methode mit Arbeit gefüttert. Das heisst, sobald ein Feature entwickelt wurde und die nächste Stufe erreicht, kann ein weiteres Feature nachgezogen werden. Dadurch versorgen sich die einzelnen KANBAN-Regelkreise selbstständig mit Arbeit. Dies erhöht den Arbeitsfluss massgeblich. Durch das Festsetzen von Arbeitsmengen (Anzahl Aufgaben oder Stunden pro Bereich) wird zudem die Arbeitsbelastung nivelliert und der Projektfortschritt gleichmässiger.
Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Push-Prinzip ist die Flexibilität. Bei der Push-Methode braucht es eine vorgängige Planung mit Prioritäten und Abfolgen, die anschliessend an die Mitarbeitenden im Projekt übergeben werden. Da diese Planung in Projekten allerdings nur schwer vereinbar ist mit der Dynamik der Kunden/Welt/Organisation, braucht es Anpassungsfähigkeit. Da bei der Pull-Methode im KANBAN-System erst eine Aufgabe verteilt wird, wenn ein «Behälter» wieder befüllt werden muss, wird folglich situativ entschieden, welche Aufgabe prioritär behandelt wird. Dadurch kann besser auf sich ändernde Bedürfnisse eingegangen werden, ohne gleich die gesamte Planung zu revidieren.
Involvement des Mitarbeitenden wird gestärkt
Da du somit auch sehr aktiv in den Prozess eingebunden bist, erhöht sich dein Involvement. Anstatt zu warten, bis dir eine hierarchisch höhergestellte Person eine Aufgabe gibt, ziehst du einfach eine neue Aufgabe, sobald ein KANBAN-Gefäss frei ist. Dadurch erhöht sich deine Entscheidungskompetenz und du nimmst eine aktivere Rolle im Projekt ein. Durch diese sich ändernde Arbeitsweise wirst du aktiver und handelst unternehmerischer. Unternehmerisches Handeln zeichnet sich unter anderem durch eine hohe Eigeninitiative und intrinsische Motivation aus, was durch die Pull-Methode gezielt gefördert wird.
Trotz all dieser Vorteile bestehen auch Risiken, die du beachten solltest, wenn du die KANBAN-Methode einführst. Speziell die Back-Log-Verwaltung kann zu Schwierigkeiten führen, da eine Entscheidung über die Prioritäten entscheidend ist. Hier braucht es Spielregeln, die unterstützend wirken, um die Aufgaben zielgerichtet zu bearbeiten. Dies gilt generell beim Involvement der Mitarbeitenden. Ohne eine gezielte Moderation besteht das Risiko, dass du dich verzettelst bzw. nicht konsistent agierst. Daher sollten solche Guidelines bereits vorher definiert werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Pull-Methode deine Eigeninitiative und Motivation stärken kann, was sich positiv auf deine Produktivität auswirkt. Aus diesem Grund kann der gezielte Einsatz der Pull-Methode auch den Projekterfolg massgeblich beeinflussen und sollte von Unternehmen nicht unterschätzt werden. Unternehmen tun gut daran, sich vorgängig einige Guidelines und Ziele zu überlegen, bevor sie sich mit der Umsetzung beschäftigen, da andernfalls die Methode eher kontraproduktiv wirkt.