Der neue PMBOK®-Guide

Im September wird gemäss aktueller Ankündigung von PMI® die Version 6 des PMBOK®-Guides erscheinen. Die Anpassung der PMP®-Zertifizierungsprüfung soll im ersten Quartal 2018 vorgenommen werden. Unser Experte Dr. Eckhard Hauenherm erläutert im Blog die zentralen Neuerungen.

Autor/in Christine Mäder
Datum 24.08.2017
Lesezeit 10 Minuten

Im September wird gemäss aktueller Ankündigung von PMI® die Version 6 des PMBOK®-Guides erscheinen. Die Anpassung der PMP®-Zertifizierungsprüfung soll im ersten Quartal 2018 vorgenommen werden. In diesem Beitrag erläutere ich die zentralen Neuerungen.

Wie alle Disziplinen, entwickelt sich auch das Projektmanagement immer weiter. Aufgrund sich ändernder Projektumgebungen entwickeln sich neue Managementkonzepte, die wiederum zu neuen Techniken und Verfahren führen. Ein gutes Beispiel ist die zunehmende Verbreitung der agilen Ansätze im Projektmanagement in den letzten zwanzig Jahren. Andere Arbeitsweisen verlieren an Relevanz oder verschwinden vollständig, da sie in aktuellen Projekten nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden können, wie zum Beispiel AOA-Netzpläne.

Dieser Entwicklung muss natürlich auch ein Standard wie der PMBOK®-Guide Rechnung tragen. Nach fünf Jahren ist es mal wieder soweit. Das PMI® hat schon vor geraumer Zeit eine neue Version, Version 6, für den PMBOK®-Guide angekündigt. Im Unterschied zu früheren Versionen erscheint der Guide diesmal in elf Sprachen gleichzeitig. Laut der aktuellen Ankündigung wird der Erscheinungstermin im September sein. Die Anpassung der PMP®-Zertifizierungsprüfung soll im ersten Quartal 2018 vorgenommen werden.

Ich hatte das Glück, dass ich zur Validierung der deutschen Übersetzung der Version 6 des PMBOK®-Guides vom PMI eingeladen wurde. Dabei konnte ich die bevorstehenden Änderungen in Augenschein nehmen. Die zentralen Neuerungen waren schon im Entwurf sichtbar, der den PMI®-Mitgliedern Mitte letzten Jahres zur Verfügung gestellt wurde.

Die Änderungen lassen sich in drei Kategorien zusammenfassen:

  1. Änderungen im Prozessmodell
  2. Neue und geänderte Konzepte und Ansätze
  3. Änderungen in der Struktur des PMBOK®-Guides

Änderungen im Prozessmodell

Die Änderungen im Prozessmodell sind in der Version 6 nicht sehr gross. Mit der Version 5 scheint das PMI einen Standard erreicht zu haben, der sich als relativ stabil erweist. Zwar wächst die Zahl der Prozesse in der Version 6 wieder auf 49 an, die meisten Änderungen betreffen aber die schon existierenden Prozesse. Die Anzahl und Struktur der Wissensgebiete und Prozessgruppen bleibt gleich.

Neue Prozesse gibt es im Integration-Management zum Management des Projektwissens, im Ressourcenmanagement zur Steuerung der Ressourcen und im Risikomanagement zur Implementierung der Risikoantwortmassnahmen. Der Prozess zur Beendigung von Verträgen entfällt als eigener Prozess. Die damit verbundenen Managementtätigkeiten werden dem Prozess der Beschaffungssteuerung zugewiesen.

Eine grössere Änderung betrifft das Wissensgebiet zum Ressourcenmanagement. In Version 5 beziehen sich die darin liegenden Prozesse nur auf Personalressourcen, insofern heisst es dort konsequent «Project Human Resource Management». In Version 6 heisst es nun «Project Resource Management» und bezieht sich auch auf materielle («physical») Ressourcen. In diesem Zuge wurde auch der Prozess der Ressourcenschätzung von «Project Time Management» (das in Version 6 jetzt auch genauer «Project Schedule Management» heisst) in das Wissensgebiet «Projekt Resource Management» verschoben. Auf die Abhängigkeit der Prozesse innerhalb des Prozessmodells hat diese Änderung keinen Einfluss. Die Ressourcenschätzung ist immer noch eine Voraussetzung für die Dauerschätzung an den Projektvorgängen.

Neben diesen inhaltlichen Änderungen gibt es einige Umbenennungen von Prozessen, die die Benennungsstruktur vereinheitlichen sollen:

Prozessname in Version 5 Prozessname in Version 6
Perform Quality Assurance Manage Quality
Plan Human Resource Management Plan Resource Management
Acquire Project Team Acquire Resources
Develop Project Team Develop Team
Manage Project Team Manage Team
Control Communications Monitor Communications
Control Risks Monitor Risks
Plan Stakeholder Management Plan Stakeholder Engagement
Control Stakeholder Engagement Monitor Stakeholder Engagement

 

Neue und geänderte Konzepte und Ansätze

Es gibt in der Version sechs einige auffällige Änderungen, die deutlich machen, dass bestimmte Konzepte für das PMI® an Relevanz gewonnen haben. So wird zum Beispiel das Konzept der Anpassung des Prozessmodells (das «Tailoring») in der neuen Version dadurch gestärkt, dass dazu in der Beschreibung jedes Wissensgebiets ein eigener Abschnitt gewidmet ist. Das PMI® legt Wert darauf, dass das Prozessmodell für die jeweilige Projektumgebung vom Projektmanager anzupassen ist und nicht einfach als fertige Arbeitsanweisung übernommen werden kann. Die relevanten Fragen, die Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Prozesse eines Wissensgebiets in der aktuellen Projektumgebung haben, werden dabei in einem dem Wissensgebiet vorangestellten Abschnitt beschrieben.

Dies gilt in gleicher Weise für die Anwendung des Prozessmodells in agilen, adaptiven oder iterativen Arbeitsumgebungen. Auch dazu gibt es jetzt zu jedem Wissensgebiet einen eigenen Abschnitt.

Nachdem in der fünften Version das Datenflussmodell vereinheitlicht wurde, werden mit der Version 6 auch die Techniken zum Umgang mit Daten neu strukturiert. In den meisten Prozessen finden wir nun unter den Werkzeugen und Methoden eines Prozesses «Data Gathering Techniques» und «Data Analysis Techniques», neben den bekannten Konzepten des «Decision Making», «Interpersonal and Team Skills», «Communication» und «Communication Skills».

Stärker betont wird in der neuen Version auch die Klassifizierung der Prozesse nach Häufigkeit ihrer Anwendung im Projekt. Jeder Prozess wird einer von drei Kategorien zugeordnet. Die Prozesse differenzieren sich demnach in:

  • Prozesse, die nur einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt im Projekt ausgeführt werden
  • Prozesse, die regelmässig nach Bedarf im Projekt ausgeführt werden
  • Prozesse, die kontinuierlich über den gesamten Projektverlauf durchgeführt werden

Neue Ansätze betreffen insbesondere das Risikomanagement und das Earned Value Management. Im Risikomanagement wird eine neue Strategie «Escalate Risk» beschrieben, mit der die Verantwortlichkeit für ein Risiko auf die nächsthöhere Managementebene (Programm, Portfolio, Unternehmen) verschoben wird.

Das Earned Value Management wird um das Konzept des «Earned Schedule» erweitert, anhand dessen der Zeitfortschritt im Projekt genauer gemessen wird und einen eigenen Wert bekommt.

Der neue Prozess «Manage Project Knowledge» macht schon deutlich, dass auch das Konzept der Lessons learned stärker betont wird. Das Dokumentieren der Lessons learned ist jetzt konkreter Bestandteil in den Prozessbeschreibungen.

Natürlich wird auch der «Competence Triangle», den das PMI® für die Aufrechterhaltung der Zertifizierung mittels PDUs schon früher eingeführt hat, in den PMBOK®-Guide aufgenommen. Die Rolle des Projektleiters und die benötigten Kompetenzen, die durch dieses Dreieck angesprochen werden, werden ausführlich im neuen dritten Kapitel des Guides beschrieben.

Änderungen an der Struktur des PMBOK®-Guides

Aus diesen inhaltlichen Änderungen ergeben sich eine Reihe struktureller Änderungen. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Kapitel 1 bis 3 sind vollständig neu geschrieben. Kapitel eins beinhaltet eine Einführung in die Konzepte des Projektmanagements, inklusive agiler Ansätze und weiterer Lebenszyklusmodelle. Kapitel zwei beschäftigt sich wie bisher mit der Projektumgebung und dient insbesondere der Darstellung der relevanten Einflüsse aus den «Enterprise Environmental Factors» und den «Organizational Process Assets».

Kapitel drei ist jetzt neu der Rolle des Projektmanagers gewidmet und beschreibt die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen für ein erfolgreiches Projektmanagement. Die Beschreibung des Prozessmodells und damit auch die Zählung der Prozesse beginnt wie bisher mit Kapitel vier.

Jedem Wissensgebiet sind jetzt vier Abschnitte mit sogenannten «Front Materials» vorangestellt. Diese sind:

  • Key Concepts
  • Trends and Emerging Practices
  • Tailoring Considerations
  • Approaches in Agile, Iterative, and Adaptive Environments

Wie bisher wird der PMBOK®-Guide um einige Anhänge ergänzt. Neu sind darin die Zusammenfassungen aus den vier Abschnitten des «Front Materials» der Wissensgebiete:

  • Summary of Key Concepts
  • Summary of Tailoring Considerations
  • Summary of Tools & Techniques
  • Adaptive & Iterative Approaches

Wann wird der neuen PMBOK®-Guide für mich relevant?

Wie schon einleitend erwähnt, wird das PMI® die Zertifizierungsprüfungen, die auf dem PMBOK®-Guide basieren (dies sind in erster Linie der PMP® und der CAPM®) im ersten Quartal 2018 umstellen. Wir werden unsere Kurse daher rechtzeitig anpassen. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass wir ab Oktober 2017 unsere Kurse nach dem neuen PMBOK®-Guide durchführen.

Grundsätzlich sind aber die Unterschiede zwischen den beiden Versionen nicht so gross, dass man die neue Prüfung nicht auch mit dem Basiswissen aus einem Kurs zu Version 5 bestehen könnten. Wer das Prozessmodell und seine Arbeitsweise in der Version 5 gut gelernt hat, für den sollte es reichen, sich mit den Änderungen konkret zu beschäftigen, um gut auf die neue Prüfung vorbereitet zu sein.

Kurs: Prüfungsvorbereitung CAPM®/PMP® («PMI»)

Das CAPM®/PMP®-Seminar von Digicomp ist die optimale Vorbereitung auf die CAPM®/PMP®-Zertifizierung des PMI. Sie erhalten eine verständliche Aufbereitung des PMBOK Guide® sowie aller prüfungsrelevanten Themen.

Weitere Kursdetails

Das CAPM®/PMP®-Seminar von Digicomp ist die optimale Vorbereitung auf die CAPM®/PMP®-Zertifizierung des PMI. Sie erhalten eine verständliche Aufbereitung des PMBOK Guide® sowie aller prüfungsrelevanten Themen.

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Autor/in

Christine Mäder

Christine Mäder verfügt über einen Bachelor of Arts ZFH in Übersetzen der ZHAW und einen Master of Advanced Studies in Marketing Management der Uni Basel. Nach der Ausbildung zur Buchhändlerin stiess sie 2008 während dem Übersetzerstudium zu Digicomp und sorgte als Lektorin für den sprachlichen Durchblick. Nach einem Abstecher in den Sprachdienst eines Schweizer Konzerns, unterstützte sie bei Digicomp das Marketing-Communications-Team in sämtlichen Bereichen.