Barrierefreie Dokumente mit InDesign

Barrierefreie Dokumente sind zugänglich für alle Menschen – auch für solche mit Sehbehinderungen. Diese erschliessen die Dokumente durch unterstützende Technologien, z.B. durch Screenreader. In diesem Artikel werden Sie durch die wichtigsten Schritte zu einem barrierefreien Dokument in InDesign geführt.

Autor/in Katharina Hübner
Datum 15.04.2016
Lesezeit 8 Minuten

Barrierefreie Dokumente sind zugänglich für alle Menschen – auch für solche mit Sehbehinderungen. Diese erschliessen die Dokumente durch unterstützende Technologien, z.B. durch Screenreader. In diesem Artikel werden Sie durch die wichtigsten Schritte zu einem barrierefreien Dokument in InDesign geführt.

Wann ist ein Dokument barrierefrei

Stellen Sie sich vor, Sie sollen mit verbundenen Augen ein PDF-Dokument verstehen. Das ist nur möglich, wenn es Ihnen vorgelesen wird. Da nicht jeder seinen persönlichen Assistenten zur Verfügung hat, gibt es Software, die das erledigt. Man spricht hier im weitesten Sinne von Screenreadern. Das beschriebene Szenario ist ein Extremfall, aber wenn es um Barrierefreiheit geht, sollte genau dieser Extremfall der Massstab sein. Besagte Software ist weniger schlau als ein menschlicher Assistent und nicht in der Lage, Inhalte der PDF-Dateien zu interpretieren. Das bezieht sich besonders auf die Bedeutung als auch auf die Reihenfolge der Texte sowie auf den Umgang mit Bildern. Ein Screenreader «sieht» nicht, ob ein Text fett oder gross ist und kann dem Rezipienten entsprechend nicht sagen, ob es sich bei einer Wort-Reihenfolge um eine Überschrift handelt. Das Wissen darüber ist aber wichtig, um die Struktur des Textes richtig zu erfassen. Screenreader verstehen allerdings sogenannte Tags. Diese lassen sich in das PDF integrieren und sogar an die benutzten Absatzformate koppeln. Auch sollten Sie ein Konzept haben, wie Sie mit Bildern umgehen, die im Extremfall vom Leser gar nicht gesehen werden und Sie sollten Links und Verweise so aufbauen, dass der Nutzer stets weiss, wo die Reise hingeht und am Ende des Links ein erwartbares Ergebnis vorfindet.

◊ Absatzformate und Tags verwenden

Wenn Sie bereits bei der Erstellung des InDesign-Dokuments korrekt mit Absatzformaten arbeiten, haben Sie schon die halbe Miete.

Anschliessend müssen Sie nur noch die Überschriftenformate den entsprechenden Tags zuweisen. Damit der Screenreader richtig interpretieren kann, sollten sie die Standard-Tags für barrierefreie PDF-Dokumente benutzen, die für Absätze (P) und Überschriften («H1» bis «H6») benutzt werden. Handelt es sich bei einem Text um ein Element, das vom Screenreder ignoriert werden soll, weil es redundante Informationen trägt – wie zum Beispiel die Kopfzeile, weisen Sie ihm das Tag «Artifact» zu. Die Tags können nicht verändert werden und entsprechen dem Standard, der in strukturierten PDF-Dokumenten benutzt wird.

◊ Ligaturen verhindern

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Zeichen, die Ligaturen darstellen, können von Screenreadern nicht korrekt ausgegeben werden. Schalten Sie sie daher in den Zeichen- und Absatzformaten aus.

◊ Verwendung von korrekten Listen

Damit Listen auch von unterstützenden Technologien wie Screenreadern als solche erkannt und korrekt wiedergegeben werden, müssen Sie die Aufzählungs- und Nummerierungsfunktion von InDesign benutzen. Verzichten Sie auf Glyphen und Tabulatoren, denn diese werden als regulärer Text vorgelesen.

Gut zu wissen: Sie können in Adobe InDesign in den Absatzformatoptionen für die Option Aufzählungszeichen und Nummerierung Ebenen erzeugen, die so eingestellte Tiefe der Listenebene erzeugt beim Export in ein PDF-Dokument jedoch keine verschachtelte Liste. Beim Export in ein PDF-Dokument erzeugen unterschiedliche Einzüge automatisch verschachtelte Listen.

◊ Tabellen

Erstellen Sie Tabellen nie mit Tabulatoren oder Leerzeichen, sondern nutzen Sie z.B. den Menüpunkt «Tabelle« / «Tabelle einfügen». Vermeiden Sie umfangreiche und komplexe Datentabellen. Versuchen Sie lieber, grosse Tabellen im mehrere kleine Tabellen aufzuteilen.

◊ Leserichtung und Reihenfolge festlegen

Tag-Struktur

Dokumente mit mehr als einer Spalte, mit Texteinschüben oder Marginalien sind für Screenreader schwer zu interpretieren, da die Lesereihenfolge nicht intuitiv ist. Dabei sind Texte und Bilder in Rahmen angelegt. Die Reihenfolge, in der Screenreader auf diese Rahmen zugreifen, ist für das Verständnis des Texts extrem wichtig. Zuständig für die Lesereihenfolge ist die Tag-Struktur, die in diesem Artikel bereits Thema war. Während Überschriften und Fliesstexte erst nach dem Export in Acrobat sichtbar werden, kann man die Reihenfolge der Rahmen schon in In Design kontrollieren. Je nachdem, wie kompliziert das Dokument aufgebaut ist, kann man unterschiedliche Methoden anwenden.

Artikel erstellen

Manche Dokumente bestehen aus sehr vielen Rahmen. Auf Zeitungsseiten z.B. sind häufig Überschriften und Artikeltexte in unterschiedlichen Rahmen angelegt. In diesem Fall bietet es sich an, Artikel zu erstellen, die sich über mehrere Rahmen erstrecken. Die Artikelreihenfolge lässt sich anschliessend im Bedienfeld «Artikel» kontrollieren.

Achtung: Verankerte Objekte lassen sich nicht zu Artikeln hinzufügen. Wenn Sie die Lesereihenfolge mit Hilfe von Artikeln definieren wollen, müssen Sie eventuelle Verankerungen von Bildern lösen.

◊ Umgang mit Bildern

Alternativtexte 

Bilder sind bei barrierefreien Dokumenten immer ein kleines Problem und Sie müssen entscheiden, ob der Inhalt des Bildes wichtig ist für das Verständnis des Texts. Selbst wenn es sich nur um ein dekoratives Element handelt, kann es zu Verwirrung bei einem schlecht sehenden Menschen führen, wenn dieser zwar erkennt, dass ein Bild im Dokument vorhanden ist, aber keine Information vom Screenreader ausgeliefert wird. Logos, Schmuckelemente können Sie vor diesem Hintergrund getrost als «ausserweltliches Element» taggen, während illustrierende Bilder mit Alternativtexten versehen werden sollten, die beschreiben, was auf dem Bild zu sehen ist. Besonders wichtig ist das natürlich bei Diagrammen und Schaubildern.

Bilder verankern
Damit Ihr Bild im korrekten textlichen Zusammenhang interpretiert werden kann, müssen Sie es verankern. «Schwebende Bilder» haben nur einen Bezug zum Text, wenn man als Sehender ihre Position im Text erkennen kann.

Screenshot 2016-03-24 16.49.41Gut zu wissen: Das Bild ist verankert, wenn anstelle der Verankerungsmarke ein Anker zu sehen ist. Achtung: Verankerte Bilder lassen sich nicht zu Artikeln hinzufügen.

◊ Verweise

Allgemeine Links

Mit Links können Sie entweder innerhalb eines Dokuments navigieren oder Verknüpfungen zu ausgewählten Websites im Internet herstellen. Achten Sie beim Einsatz von Links darauf, dass der verlinkte Text kurz und aussagekräftig ist. Der Linktext sollte über das Ziel bzw. die Aktion des Links Auskunft geben.

Schlechtes Beispiel:
Klicken Sie hier, um zur Website von Xyz zu gelangen.
Gutes Beispiel:
Gehen Sie zur Website von Xyz.

Tipp: Manchmal landen Links ohne Ihr Zutun im Dokument (z.B. durch einfaches Kopieren). Überprüfen Sie deshalb vorhandene Links, auch wenn Sie selbst noch keine angelegt haben.

◊ Inhaltsverzeichnisse

Leider erstellt InDesign nicht automatisch korrekte Tags für Inhaltsverzeichnisse. Erstellen Sie für die Inhaltsverzeichniseinträge also zuerst das Absatzformat TOCI (offizielles Tag für einen Inhaltsverzeichniseintrag). Das ist schon die halbe Miete.

Ungenügend: Leider wird kein Tag für das gesamte Inhaltsverzeichnis erstellt, was aber für die Barrierefreiheit des Dokuments wichtig wäre. Dieses müssen Sie nachträglich in Acrobat erstellen und die Inhaltsverzeichniseinträge unterordnen. Auch verschachtelte Inhaltsverzeichnisse erhalten nicht automatisch eine verschachtelte Tag-Struktur. Auch das müssen Sie nach der PDF-Erstellung in Acrobat erledigen.

◊ Sprachauszeichnung

Sie können in InDesign einzelne Wörter oder längere Passagen einer anderen Sprache zuweisen. Sofern fremdsprachige Wörter oder Textpassagen vorhanden sind, sollten Sie dies auch tun, damit der Screenreader die korrekte Aussprache benutzt. Hierfür legen Sie ein zunächst ein Zeichenformat an und weisen die entsprechende Sprache zu.

◊ Kursempfehlung

Im Kurs «Barrierefreie PDF-Dokumente (AAB)» lernen Sie die Punkte von oben Schritt für Schritt umzusetzen, sodass sowohl Menschen mit als auch ohne Behinderung Ihre PDF-Dokumente lesen können. Sie lernen dabei, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.


Autor/in

Katharina Hübner

Katharina ist Diplom Medienwissenschaftlerin und arbeitet seit 1996 deutschland- und europaweit als Dozentin und Consultant für Bildungsprojekte. Neben Softwaretrainings mit dem Schwerpunkt Gestaltung und Kommunikation führt die Berlinerin Coachings und Workshops für firmenspezifische Software durch. Zu ihren Trainingsschwerpunkten gehören Layoutprogramme wie InDesign, aber auch Office-Anwendungen im arbeitsweltbezogenen Konzext sowie firmenspezifische Redaktionssysteme. Dabei ist sie auf dem Mac genauso unterwegs wie auf dem PC.